Cipsoft - vom Startup zum weltweit erfolgreichen Unternehmen
https://www.cipsoft.com/Interview
mit dem Geschäftsführer Benjamin Zuckerer
Das Interview führte: ThomasWer seid Ihr und seit wann gibt es Euch?
Wir sind die Cipsoft GmbH und sind ein Hersteller von Online-Spielen. Das Unternehmen selbst gibt es seit 2001. Unser Hauptprodukt - das Spiel 'Tibia' - gibt es aber schon seit 1997. Unsere vier Gründer haben Tibia während ihres Studiums entwickelt, es ging 1997 online. Dann waren sie mit dem Studium fertig und mussten sich überlegen was sie jetzt tun. Ihre Eltern haben gesagt: Machts was Vernünftiges, sucht Euch einen Job bei dem man was verdienen kann. Die Vier haben damals aber gesagt, nein, wir probieren das jetzt mit dem Spiel. Sie haben 2001 die Firma gegründet und - das Spiel war vorher kostenlos - eine Premium-Version eingeführt. Das hat zum Glück gut funktioniert, d.h. die Spieler haben das gut angenommen und waren bereit Geld zu zahlen. Und so konnte die Firma von Tag eins an profitabel sein. Seitdem ist es stetig gewachsen bis zum heutigen Stand von 86 Mitarbeitern.
Und wer bist Du und was machst Du?
Also ich bin Benjamin Zuckerer, bin aktuell Geschäftsführer bei der Cipsoft GmbH, zusammen mit meinem Kollegen Stephan Vogler, der ist Gründer und Geschäftsführer. Also ich bin nicht einer der Gründer. Ich bin vor elf Jahren zu Cipsoft gestossen, bin dort als Produktmanager eingestiegen. Das heisst ich habe das Projektmanagement und die Entwicklung von einem Spiel übernommen. Bin dann leitender Produktmanager geworden und anschliessend ins Management gewechselt.
Wolltest du da schon immer hin? Was hast du vorher gemacht?
Davor war ich in der Technik, habe Systemadministration für ein größeres Unternehmen gemacht. D.h. die SAP-Systeme, das Netzwerk, wie die Standorte miteinander kommunizieren, und die PCs natürlich. Dann hatte ich mal Kontakt zu den Cipsoft-Gründern und sie haben mich konkret gefragt ob ich Lust hätte bei Cipsoft einzusteigen. Sie wußten schon daß ich spiele-affin bin, weil ich selbst viel am PC gespielt und selbst Brettspiele designt und gebaut habe. Dann habe ich meinen ganzen Mut zusammen genommen - das war ja erst 2007, da wußte man noch nicht wie erfolgreich das wird. Und ich hatte einen sicheren Job, und dann zu einer Spielefirma gehen? Mich hat aber das Thema sehr gereizt und so habe ich zugesagt und meine Entscheidung bis heute nicht bereut. Es ist aber nicht so daß man da sein Hobby zum Beruf macht! Das Hobby ist ja Spielen. Aber der Beruf Spiele herzustellen hat eigentlich mit diesem Hobby nichts zu tun. Im Gegenteil, man schaut danach Spiele etwas anders an: man versucht die Mechaniken zu erkennen, wie sind die im Hintergrund aufgebaut, wie funktioniert das alles. Wahrscheinlich vergleichbar mit einem Filmemacher, der immer wenn er einen Kinofilm anschaut sagt, oh das ist aber eine interessante Linseneinstellung, und da haben sie wahrscheinlich diese Kamera verwendet, und da ist dieser Filter drüber. Einen ähnlichen Effekt hat man da auch.
Das heißt Du kannst nie mehr ganz normal Computerspiele spielen?
Ja doch schon, aber ich muß mich schon konzentrieren es zu geniessen. Also nicht darüber nachzudenken, was da genau im Hintergrund läuft, welche Rädchen sich da drehen und wie das funktioniert. Ich analysiere da immer sehr stark nach dem Motto "auseinandernehmen und gucken".
Was macht Euer Online-Spiel so besonders?
Das Besondere an unseren Spielen ist unsere Community, also die Spieler selbst. Unser Spiel ist von alleine gewachsen, wir haben damals kein Marketing-Geld ausgegeben, das ging zu dem Zeitpunkt auch gar nicht. Das Internet war noch sehr jung, die Spielidee an sich war sehr innovativ und neu, und die Spieler kamen von alleine. Wir mußten nichts tun, sondern waren nur mit Wachstum beschäftigt. Ein Vorteil daß wir so früh dran waren war daß Tibia mit extrem langsamen Internet-Verbindungen zurecht kommen mußte. Und mit schwachen Rechnern. Es läuft auch noch auf sehr langsamen Rechnern, und deshalb ist das Spiel auch heute noch 'in Ländern mit schwachen Rechnern', wie z.B. Brasilien, sehr erfolgreich.
Und unsere Spieler sind mit Herzblut dabei, die Spielwelt entwickelt sich ständig weiter. Es ist ja ein Online-Spiel, d.h. es ist ein Service und nicht ein Spiel welches man einmal fertig spielt. Sondern wir entwickeln es ständig weiter. Wir bringen zweimal im Jahr ein großes Update 'raus, wo sich Sachen in der Spielwelt ändern. Und das macht den Reiz dieser Spiele aus, daß es eine sich immer verändernde Welt ist, es immer wieder neue Abenteuer zu erleben gibt. Und der Großteil der Abenteuer entsteht durch die Spieler, also gar nicht durch den Content den wir schaffen. Sondern mit Geschichten welche die Spieler erleben dadurch daß sie sich in dieser Spielwelt bewegen. Sie laufen in ein Dungeon hinein, fühlen sich dort erst sicher, jagen ein bischen ein Monster, und auf einmal taucht ein anderer Spieler auf. Und je nachdem was es für eine Spielwelt ist könnte der dich angreifen. Und daraus entsteht ein riesengroßer Nervenkitzel weil man sich an dieser Stelle nicht sicher fühlt. Und das kann richtig Spaß machen. Und dieser Reiz, der geht nicht verloren.
Was ist ein 'Dungeon'?
Man läuft in einen Wald hinein, da findet man dann einen Eingang in eine Höhle. In ein Dungeon! Da gibt's dann Monster, gegen die kann man kämpfen, und für jedes erledigte Monster bekommt man Erfahrungspunkte. Damit kann man seinen Charakter weiterentwickeln, also stärker werden, und dann auch Ausrüstungsgegenstände anlegen, ein neues Schwert finden, eine neue Rüstung finden. Damit wird man stärker in der Spielwelt und kann somit größere Herausforderungen meistern, stärkere Monster besiegen und vorwärts kommen.
Wieviele Spieler gibt es in Eurer Community?
Es sind knapp 400.000 Spieler im Monat. Die kommen aus der ganzen Welt, der Großteil aus Südamerika, dann noch Polen und Schweden. Das sind die stärksten Regionen bei Tibia.
Wie sind Deine Kollegen 1997 auf diese Idee gekommen? Was/Wer hat Euch dazu inspiriert?
Kurz nach den Anfängen des Internet gab es eine andere Art von Spiel welche damals gespielt wurde. Da gab es sogenannte 'MUDs', Multi-User-Dungeons, die waren textbasiert. Man konnte sich einloggen und dann text-basiert ein Spiel zusammen mit anderen Spielern spielen. Und hat sich dort auch durch Räume bewegt, konnte auch kämpfen. Diese MUDs sind eigentlich die Grundlage für alle modernen Online-Rollenspiele. Als unsere Gründer das gesehen haben, und das Internet verstanden hatten, haben sie gesagt, hey super das kann man doch grafisch machen. Also mit einem schönen Interface. Und online, dass alle Leute zusammen spielen können, und nicht nur ein paar Spieler wei bei den MUDs, sondern hunderte oder sogar tausende in einer Spielwelt. Das ist wo die Idee herkam.
Das bedeutet daß eines Eurer Erfolgsgeheimnisse ist daß ihr einfach ganz früh dabei wart?
Also letztlich war's eine Innovation. Es kamen sogar mehrere Innovationen zusammen. Das Spiel selbst war eine Innovation, also ein grafisches Online-Spiel. Die zweite große Innovation kam 2001 dazu, das war die Geschäftsmodell-Innovation. Bis dahin war es so daß Spiele in Europa vorab bezahlt werden mußten oder im Abo-Modell. Und Tibia ist eines der ersten Spiele welches ein sogenanntes Freemium-Modell hat. Man kann es kostenlos spielen und kann einen Teil der Spielwelt erkunden und Zeit darin verbringen. Man kann aber auch ein Abo abschliessen und dann den Rest der Spielwelt anschauen. Und das war für diese Zeit damals eine ganz große Sache, das gab's in westlichen Gegenden gar nicht. Das bedeutet die Innovation war die Grundlage für den Erfolg.
Wieviel kostet denn so ein Abo?
Das ist etwas unterschiedlich, ungefähr 8,50 Euro monatlich. Wieviel Umsatz wir machen steht übrigens auf unserer Webseite. Wir legen sehr viel Wert auf Transparenz.
Wo sitzt Ihr und warum habt Ihr Euch für diesen Standort entschieden?
Die Gründer kommen alle aus Regensburg. Deshalb wurde das Unternehmen auch hier gegründet, das ist der Hauptgrund. Es ist jetzt hier das vierte Büro, in der Prüfeninger Strasse. Angefangen hat das ganze im Keller bei einem der Gründer. Ab der Gründung im Jahr 2001 gab es ein kleines Büro, das war eine Zwei-Zimmer-Wohnung, in der Nähe vom Römling. Das wurde dann irgendwann zu klein, dann sind wir an den Bismarck-Platz gezogen. Da hatten wir ein Büro über der Commerzbank, mit circa 20 Leuten. Danach sind wir in die alte Post-Villa gezogen, gegenüber vom Hallenbad, da waren wir drin bis wir 60 Leute waren. Das ist dann auch wieder zu klein geworden und deshalb sind wir ins 'Parkside' gezogen. Wir haben hier die komplette dritte Etage angemietet und damit ist Platz für 120 Leute.
Wie lange wird das reichen?
Knapp zwei bis drei Jahre noch, vielleicht. Dann ist der Platz wahrscheinlich aus. Aber wir haben hier noch die Option zu erweitern, das wäre dann auch noch möglich.
Was ist Euer Ziel/Wo wollt Ihr hin?
Unser Ziel ist es innovative Online-Spiele zu entwickeln und auch zu betreiben. Wir machen tatsächlich alles selbst, haben auch keine externen Geldgeber, keine Banken. Wir setzen uns unsere Ziele auch komplett selbst. Was wir wollen ist weitere innovative Spiele auf den Markt zu bringen und zu etablieren, und somit aus eigener Kraft heraus zu wachsen.
Was waren die größten Herausforderungen in der Startphase? Und wie habt Ihr die gemeistert?
Am Anfang war das Hauptproblem Wachstum zu managen. Uns wurden quasi die Türen eingerannt von den Spielern damals weil es eine neue Idee war. Und das Skalieren des Unternehmens war die größte Herausforderung. Beginnend mit wenig Mitarbeitern sinnvoll und verantwortungsbewusst zu wachsen. Es gibt viele Unternehmen die wachsen sehr sehr schnell, stellen viele Mitarbeiter ein, da weiß man aber eventuell noch nicht ob das Wachstum welches aus dem Markt kommt nachhaltig ist. Und wenn man dieses verliert müssen die groß kündigen und viele Mitarbeiter loswerden. Und das wollten wir nie machen. Wir stellen nur Leute ein wenn wir davon überzeugt sind, wenn wir diese Stelle nachhaltig im Unternehmen halten und finanzieren können und sich das Ganze rentiert. Wir sind keine Fans von schnellem Skalieren um dann später wieder 'hart runterzuskalieren'. Das finden wir gegenüber den Mitarbeitern nicht fair und wir finden auch daß das nicht die richtige Art ist ein Geschäft zu führen. Wie wir damals das Skalierungsproblem gelöst haben: Wir haben witzigerweise den Zustrom an Nekunden abgebremst - indem wir eine Insel in das Spiel eingebaut haben. Diese hat die Spieler ausgebremst ins Spiel zu kommen. Es kamen soviele Kunden, wir konnten die Infrastruktur gar nicht schnell genug nachziehen. Man muß dazu sagen daß das nicht so einfach war wie heute. Heute gibt es Clouds, man kann einfach klicken und hat einen neuen Server, manchmal sogar via vollautomatischer Skalierung. Das gab's damals nicht. Da mußte man noch Rechner in Rechenzentren aufstellen, diese anschliessen, einrichten, das war eine relativ komplexe Geschichte. Und da ist man nicht hinterhergekommen weil man ja auch noch parallel das Unternehmen hochgezogen hat, Prozesse eingeführt hat. Und das ist eine der größten Herausforderungen am Anfang für ein Unternehmen das wächst.
Ist das Spiel komplett online also browser-basiert oder muß ich etwas herunterladen?
Man muß einen Client herunterladen. Das war von Anfang an so. Zwischendurch hatten wir zwar mal einen Flash-Client, aber bekanntermassen ist Flash jetzt tot, und deshalb haben wir den letztes Jahr eingestellt. Jetzt gibt es nur noch den Client den man herunterladen muß. Die meisten Spieler nutzen Windows, es gibt aber auch einen Mac-Client und einen für Linux.
Was treibt Euch an? Welchen Beweggrund habt Ihr?
Wir wollen ein Spiel machen das Spaß macht. Insbesondere unseren Spielern. Etwas zu schaffen was andere Menschen gerne konsumieren, ihre Zeit damit verbringen, Spaß haben und natürlich hoffentlich auch bereit sind dafür Geld zu bezahlen. Wir sind ein Unternehmen, wir müssen auch Geld verdienen, wir haben viele Mitarbeiter, wir haben die Verantwortung für die Arbeitsplätze und die Familien die da dran hängen. Das ist letzten Endes die größte Motivation: Spiele zu machen die Spaß machen.
Sind die meisten Eurer 86 Mitarbeiter Entwickler? Oder Designer? Oder ... ?
Nachdem wir ja alles selbst machen haben wir sehr viele unterschiedliche Abteilungen. Wir haben eine eigene Technik-Abteilung, eine Community-Management-Abteilung, Support, eine Test-Abteilung, Grafik, mehrere Produkt-Teams, Marketing, Organisation und Personal-Abteilung sowie das Management. Alle Abteilungen arbeiten zusammen und es gibt nur wenige Sachen die wir an externe Dienstleister rausgeben. Im Grafikbereich passiert das, natürlich im Hosting - wir nutzen Cloudservices und Rechenzentren externer Partner. Aber ansonsten entwickeln und betreiben wir unsere Spieler selbst. Auch der Support ist hier bei uns.
Ist das auch ein Cipsoft-Erfolgsgeheimnis, nahezu alles selbst zu machen?
Der erste Mitarbeiter der jemals eingestellt wurde war eine Support-Kraft, um die Gründer zu entlasten und die Anfragen der Spieler zu beantworten. Damit wurde also der Grundstein gelegt das selbst zu machen. Wir sind allerdings auch fest davon überzeugt daß die Kommunikation in den Teams viel besser ist wenn wir alle im Haus haben. Und das Ergebnis maßgeschneidert ist für unsere Zwecke. Wenn wir jetzt zum Beispiel den Support auslagern würden, dann müssten wir dem externen Dienstleister unser Spiel beibringen und ihm alles erklären darüber. Der hat ja auch noch andere Kunden, somit ist das unwahrscheinlich daß das funktioniert. Deshalb macht das für uns Sinn diese Sachen alle im Haus zu haben. Plus die Kommunikation zwischen den Teams ist uns wichtig, also auch daß die Feedbacks der Spieler bei den Produktteams ankommen damit die das aufnehmen und verarbeiten können. Es muß nicht alles umgesetzt werden was die Spieler sagen. Aber es sollte zumindest angehört werden. Dafür ist es wichtig daß die Teams im Haus sind und verstehen wie die anderen arbeiten.
Habt Ihr irgendwelche speziellen Werte in Eurem Team die Ihr vorantreiben wollt? Habt Ihr eine besondere Unternehmenskultur?
Haben wir! Wenn man startet als Unternehmen hat man das noch nicht, wie es bei vielen Unternehmen so ist. Da gibt es auch meistens noch keine Unternehmensziele oder Strategien und all diese Sachen. Das gibt's jetzt seit längerem alles bei uns. Wir haben ein Ziel und eine Strategie, wir leiten daraus für alle Produkte Ziele ab, für die Betriebsteams gibt es Strategien. Alle ziehen quasi an einem Strang um das Unternehmensziel zu erreichen und das wird über die Unternehmensstrategie forciert. Wir haben aber auch ein Unternehmensleitbild, da steht drin welche Werte uns wichtig sind. Wir haben auch jedes Jahr eine Personalumfrage wo wir unsere Mitarbeiter befragen und uns daran messen lassen ob wir diese Werte leben. Und das Feedback nehmen wir sehr ernst um unsere Werte aufrecht zu erhalten. Da ist zum Beispiel Fairness dabei, Transparenz, oder Unabhängigkeit. Also Sachen die einerseits vom Ursprung des Unternehmens her wichtig waren, auf denen wir aufbauen. Andererseits auch wie wir als Kollegen miteinander umgehen möchten.
An was arbeitet ihr denn im Moment?
Einerseits werden unsere bestehenden Spiele die am Markt draussen sind weiterentwickelt. Online-Spiele hören nie auf. Die werden immer weiter entwickelt, das ist ein fortlaufender Prozess. Also Tibia, unser PC-Spiel. Dann TibiaME, das ist unser Handy-MMO, das ist seit 2003 draussen. Und dann haben wir aktuell noch einen Titel der im Softlaunch ist, der Name ist Panzer League das testen wir gerade in Asien. Zudem gibt es noch zwei weitere Produkte welche wir dann veröffentlichen wenn wir so weit sind.
Warum testet Ihr das neue Spiel in Asien? Und nicht z.B. in der Oberpfalz?
(lacht) Das ist ein übliches Verfahren in der Spielebranche. Spiele werden weltweit veröffentlicht wenn sie dann mal fertig sind. Unsere Kunden kommen aus der ganzen Welt. Tibia ist nur Englisch, TibiaME - unser Handyspiel - gibt es in Englisch, Malayisch und Deutsch. Und Panzer League gibt es aktuell in Englisch und in Thai. Bevor man an ein globales Publikum geht wird ein Spiel in kleinen Testmärkten getestet. Einerseits testet man die technische Stabilität, man schaut, hält die Infrastruktur, sind Bugs im Client, funktioniert das Ganze. Denn eines der Probleme 'bei mobile' ist, wenn man veröffentlicht und bekommt schlechte Reviews dann wird der Start schwieriger. Es wird nicht unmöglich, aber schwieriger, und das möchte man sich ersparen. Das Zweite was man testet ist die Performance, da werden viele Kennzahlen erfasst und ausgewertet. Man kann sehen wann hören Spieler auf zu spielen, wie lange spielen sie, was macht ihnen offensichtlich mehr Spaß oder weniger Spaß - und dann optimiert man das Ganze. Das nennt sich 'Funnel' - sowas kennt man ja von Websites, also den Marketing-Funnel - dafür kauft man sich Spieler über Marketing-Kampagnen ein. Dann schaut man wieviele schaffen das Tutorial, wieviele spielen das erste Match, wie lange bleiben die im Spiel, spielen die nach dreissig Tagen immer noch und so weiter. Dann optimiert man das Spiel, verbessert und legt Features nach und testet immer wieder bis man sagt, Ok, jetzt ist das Spiel gut genug, jetzt können wir es einem breiteren Publikum öffnen. Dann erst geht man Richtung 'global rollout', sprich: dann wird es Stück für Stück weltweit freigeschalten.
Das heisst aber dass unsere Leser Panzer League jetzt noch gar nicht ausprobieren können?
Also bei Android geht das, da kann man den Store einfach wechseln, das Spiel runterladen und installieren. Bei iOs kann man den Store wechseln und ein entsprechendes Land auswählen. Üblicherweise findet man das aber nicht weil es in den eigenen (länderspezifischen, Anm.d.Red.) Stores noch nicht drin ist. Wir testen das aktuell in drei Ländern und dort werden Spieler nur gezielt über Marketing-Kampagnen angesprochen und reingeholt
Die Basisversion ist auch hier wieder kostenlos?
Die ist kostenlos, in diesem Fall kann man sogar das ganze Spiel kostenlos spielen, da gibt es keine Hürden. Das ist ein klassisches Free-To-Play-Modell. Das Geschäftsmodell dahinter: es gibt Leute die haben viel Zeit, die können das Spiel spielen und alles erreichen - es benötigt eventuell nur etwas mehr Zeit. Dann gibt es Leute wie mich zum Beispiel die haben einen Job und wenig Zeit zum spielen, möchten aber trotzdem vorwärts kommen, und sagen: es ist okay, ich habe wenig Zeit zu spielen, zahle etwas Geld und kann meinen Fortschritt dadurch beschleunigen und mit den anderen auf diesem Level mitspielen. Wir achten dabei darauf daß kein Pay-To-Win entsteht, d.h. wer zahlt gewinnt wird ausgeschlossen. Es wird so eingestellt daß immer Leute zusammenspielen die ein ähnliches Level haben, die also gleich stark hin - unabhängig davon ob sie sich dahin gespielt oder sich dahin gekauft haben. Es spielt also nie jemand in einem hohen Level gegen jemand der ein viel niedrigeres Level hat. Das passiert nicht. Letztlich entscheidet das Können des Spielers wer das Match gewinnt.
Da müsst Ihr ja ganz schön viel Hirnschmalz reinstecken. Spielen hört sich erstmal so trivial an...
Ja. Es ist eine sehr komplexe Sache, auch von der Programmierung her. Spiele haben hohe Performance-Anforderungen und hohe Ausfallsicherheitsanforderungen. Kein Spieler akzeptiert daß ein Online-Spiel mal ausfällt und sei es auch nur ein paar Minuten. Das heißt die Anforderungen an die Programmierung sind sehr sehr hoch. Die Sachen müssen extrem performant sein und überall laufen, auch jede Ressource (z.B. Server) muß effizient genutzt werden. Wenn man das mal vergleicht mit einer Anwendungssoftware, sagen wir Bürosoftware, wie performant die läuft ist meistens egal. Wenn die mal abstürzt dann verliert man vielleicht ein paar Klicks. Das ist nervig aber ist nicht so schlimm. Spieler finden sowas gar nicht witzig, zahlen dann kein Geld mehr und verlassen das Spiel. Dazu kommt der Sicherheitsaspekt, z.B. DDos-Attacken oder Hacker-Attacken gibt es immer wieder. Somit muß man viele Aspekte berücksichtigen, das macht es herausfordernd aber auch spannend.
In welcher Programmiersprache arbeitet Ihr?
C++, C-sharp, Java, Python, etwas PHP für die Websites.
Was habt Ihr bisher schon erreicht?
Tibia, unser Hauptspiel, läuft seit 1997, ist also jetzt mehr als 20 Jahre alt. Wenn man das in Relation zur Spieleindustrie setzt ist das eine halbe Ewigkeit. Und es gibt nicht viele Spielefirmen auf der Welt die das geschafft haben, und eine davon sitzt in Regensburg. Darauf sind wir schon stolz.
Habt Ihr eine Vision/Mission?
Was wir wollen ist neue, innovative Titel herauszubringen. Nicht nur ein anderes Spiel zu kopieren, sondern etwas erschaffen was es so bisher in dieser Form nicht gegeben hat. Das ist unser Anspruch an uns selbst, also etwas zu finden was neuartig ist. Das ist eine schwierige Sache. Innovation ist keine leichte Aufgabe. Das Zweite ist daß wir die Spiele auch selber machen, entwickeln und erfolgreich machen möchten. Wir greifen zwar auf Partner zurück, wir haben Partner um Werbung zu schalten, wir hätten auch kein Problem damit mit jemanden bei der Vermarktung zusammenzuarbeiten, daß derjenige z.B. in einer Region für uns und mit uns vermarktet. Aber letztlich geht es uns darum daß wir die Entscheidungen treffen was unsere Produkte angeht und in welche Richtung das Ganze geht. Und das funktioniert nur solange wir ein unabhängiges Unternehmen sind und daran halten wir fest um das aufrecht zu erhalten.
Das heißt Ihr seid gar nicht an einem Investor interessiert?
Nein. Es gab Angebote, die wurden von den Gesellschaftern jedoch bisher alle abgelehnt - sie haben kein Interesse am Verkauf des Unternehmens.
Und wo geht es hin – Wo seht Ihr euch in 5 Jahren?
Wir hoffen daß wir in fünf Jahren einen weiteren erfolgreichen Titel etabliert haben der als weiteres Standbein fungiert im Unternehmen. Uns ist natürlich bewusst daß ein großes Produkt alleine eine Risikosache ist. Wir möchten gerne einen weiteren Titel haben, darauf arbeiten wir hin. Und dort sehen wir uns auch in diesem Zeitraum. Wir möchten langsam und organisch wachsen, und alle vier Jahre einen neuen Titel platzieren können der dem Unternehmen hilft zu diversifizieren.
Alle vier Jahre hört sich sportlich an - es würde doch auch alle 20 Jahre reichen wenn man Tibia betrachtet?
Ja das entspricht aber nicht unserem Anspruch. Es ist auch nicht so daß wir zwischendurch gar nichts gemacht hätten. Wir haben auch ein bis zwei andere Sachen, die wir gemacht aber nicht veröffentlicht haben. Jede Produktentwicklung hat natürlich auch das Risiko zu scheitern, nicht alles funktioniert. Auch etwas das sehr gut gemacht ist kann vom Markt einfach nicht angenommen werden. Es gehört auch ein bischen Glück dazu. Deshalb muß man auch mehrere Sachen entwickeln damit man die Chance hat dass eines erfolgreich werden kann.
Wie lange dauert es ein neues Produkt zu erfinden?
Wir haben ein eigenes Team dafür, das Innovationsteam. Das kümmert sich um die Suche nach neuen Spielideen, macht Recherchen, schaut sich Technologien an und überlegt was man tun muß um in nächster Zeit erfolgreich zu werden. Die Ideen die daraus generiert werden, die werden von der Geschäftsführung aufgegriffen sobald eine neue Produktentwicklung ansteht. Dann wird ein Produktteam gegründet um ein Produkt zu entwickeln wobei die bestehende Vorarbeit verwendet wird. Da haben wir oft schon Prototypen, Dokumente in welchen kritische Fragen geklärt werden, Marktrecherchen, alles Mögliche um das Risiko auszuschliessen: Woran scheitert es am wahrscheinlichsten? Das versucht man immer als nächstes zu klären. Wenn diese Fragen dann beantwortet sind und man sagt, ok, die Idee könnte Sinn machen, uns fällt nichts mehr ein warum es scheitern könnte, es ist eine spannende Sache, und die Ressourcen sind da, dann kann daraus eine Produktentwicklung werden.
Wieviel Zeit für die Vorarbeit ist dann schon reingeflossen bis zum Prototypen?
Da kann viel Zeit reinfliessen, theoretisch. Solche Prototypen darf man sich aber jetzt nicht vorstellen wie ein ganzes Spiel, das ist sehr rudimentär. Da wird vielleicht nur was Technisches geklärt, z.B. ob ein API-Zugriff funktioniert. Oder ob eine Spielmechanik funktioniert. Dann laufen weiße Klötze auf einem Spielfeld herum und treffen runde Klötze oder was auch immer. Das ist grafisch nicht gerade toll. Aber es hilft Fragen zu beantworten die man sonst nicht beantworten könnte. Und solche Prototypen können relativ schnell realisiert werden, die können bereits innerhalb von 1-2 Wochen stehen. Manche dauern auch zwei Monate, das ist unterschiedlich, je nachdem was die Fragestellung ist.
Und wenn eine Entscheidung für ein neues Produkt gefallen ist, wie z.b. bei Panzer League, wie lange arbeitet dann das Produktteam daran?
Zwei bis drei Jahre etwa.
Könnt Ihr euch vorstellen Euer Unternehmen eines Tages zu verkaufen?
Nein. Das obliegt den Gründern natürlich, aber so weit ich das einschätzen kann: Nein.
Wie findet Ihr die richtigen Mitarbeiter?
Wir haben viele offenen Stellen, in diversen Bereichen, Programmierer, Gamedesigner ... Der Markt ist momentan etwas schwierig, Deutschland ist nahe der Vollbeschäftigung. Das heisst der Arbeitsmarkt ist momentan leergefegt, das macht's gerade schwierig. Und dann muß man dazusagen der Standort macht es nicht leicht. Regensburg ist eine tolle Stadt, aber die Spieleindustrie sitzt nicht primär in Regensburg. Die größeren Spielefirmen sitzen in Hamburg, in Berlin, in Frankfurt, vielleicht noch ein bis zwei in München. Aber der Großteil ist eher in Norddeutschland. Dann ist das eher schwierig für jemanden aus Norddeutschland nach Regensburg zu ziehen, in eine eher kleinere Stadt, die würden eher nach München gehen. In Regensburg selbst gibt es keinen dedizierten Nachwuchs bezüglich Spieleindustrie. Wir haben zwar die Uni und die FH, da können Programmierer herkommen, das ist ok, da finden wir auch immer wieder Leute, die gut programmieren können und auch gut zu uns passen. Aber erfahrene Programmierer mit Berufserfahrung, die kommen nicht unbedingt von hier, manche schon, aber da haben wir auch starke Konkurrenz in der Stadt. Da gibt es Konzerne wie Conti, die auch andere Gehälter zahlen können als wir, und mit denen stehen wir in Konkurrenz - der Programmierermarkt in Regensburg ist quasi leergefegt was das angeht. Da gibt es nicht viele Bewerbungen.
Bildet Ihr auch aus?
Nein. Aus einem relativ einfachen Grund: Wir sind der Meinung, wenn man ausbildet dann sollte man das richtig machen. Die Lehrlinge sollten dann bei uns das Notwendige lernen, das wäre über einen Zeitraum von zweieinhalb bis drei Jahren im Normalfall. Und das bräuchte entsprechende Betreuung. Wir müssten Leute abstellen die diese Betreuung durchführen - und aktuell haben wir die Ressourcen dafür nicht. Wir könnten nicht sicherstellen daß Leute die hier eine Lehre anfangen auch wirklich was beigebracht bekommen. Und wir würden das nicht anders machen wollen. Wir würden sie nicht reinholen wollen, als günstige Programmierer einstellen und irgendwelche Projekte machen lassen. Wenn dann wollen wir dass das sinnvoll abläuft, und da hätten wir aktuell nicht die Ressourcen dafür.
Was tut Ihr denn für Eure Mitarbeiter?
Wir legen zum einen viel Wert auf eine Work-Life-Balance. Bei uns darf man maximal acht Überstunden in den nächsten Monat übernehmen ohne das mit dem nächsten Vorgesetzten abzuklären. Dann haben wir eine gleitende Arbeitszeit von 6 bis 23 Uhr, so daß man auch mal Besorgungen tagsüber machen kann oder auch mal in den Stadtpark gehen kann wenn die Sonne scheint! Zudem gibt es Firmenevents, eines davon ist ein Wandertag. Da machen wir eine leichte Wanderung mit dem ganzen Team, dann kehren wir gemütlich in ein Wirtshaus ein. Es gibt Get-Togethers, da dürfen auch Partner und Familie mitkommen, z.B. waren wir schon beim Bowling, in einer Kneipe und bald gibt es ein Beer-Tasting. Bei uns gibt es kostenlose Getränke für alle, Kaffee sowieso, Obst und Nüsse. Jeden Montag gehen wir alle auf Firmenkosten essen, da haben wir drei verschiedene Restaurants die wir immer wieder abwechselnd besuchen. Nicht zu vergessen natürlich unser Spielezimmer, wo wir auch neue Spiele auf Wunsch anschaffen. Einmal pro Woche kommt ein Masseur wo man sich für fünf Euro Kostenpauschale 20 Minuten lang massieren lassen kann, das wird gut angenommen. Und wir übernehmen in der Regel auch 50% der Kosten für die Kinderbetreuung damit man als Cipsoft-Mitarbeiter Familie und Job besser zusammenbekommt.