In nur 6 Jahren zu Millionenumsätzen - Miss Pompadour
www.misspompadour.de
Interview
... mit dem Geschäftsführenden Gesellschafter & Mitgründer Erik Reintjes
Das Interview führte: Thomas
Wer seid Ihr und seit wann gibt es Euch?
Wir sind MissPompadour. Wir sind jetzt eine Farbmarke. So würde ich es bezeichnen. Gestartet sind wir 2019 als E-Commerce-Unternehmen, welches Farbe online verkauft hat, ganz klassisch aus dem Wohnzimmer. Es ist wirklich die klassische Garagengeschichte. Ich habe an der Uni eine Abschlussarbeit gemacht zum Thema Unternehmensgründung. In dem Zuge habe ich meine Schwester und meine Mutter gefragt, die damals in Regensburg einen stationären Handel hatten, ob ich das Ladengeschäft online bringen kann. Mit unserem dritten Gründer Niklas zusammen habe ich den Shop gebaut. Im Endeffekt ist das daraus entstanden. Es war nie der Plan, Farbe zu verkaufen und eine Farbfirma zu werden. Das waren die Anfänge. Wir sind einfach hineingestolpert.
Was haben deine Schwester und deine Mutter vorher für ein Geschäft gemacht?
Heute würde man sagen, es war ein klassischer Concept-Store. Sie haben Wohnaccessoires und Möbel verkauft. Das war ein kleiner Laden der Roten Hahngasse, kein Riesenladen. Meine Mutter und meine Schwester sind oft nach Holland und Frankreich gefahren, haben alte Möbel gekauft und diese mit Farbe aufgearbeitet.
Hatte Deine Mutter nicht vorher ein Cafe?
Genau, mit meiner Schwester zusammen. Die hatten das Kona. Nach zehn Jahren hat sie es verkauft. Nach zehn Jahren Gastronomie rund um die Uhr war sie damit durch. Aber weil die zwei sehr umtriebig sind, haben sie dieses Geschäft gemacht. Das war erst im Hinterhaus in der Roten Hahnengasse. Ich weiß nicht, ob es dir etwas sagt? Dann war es ein Stück weiter vorne, wo jetzt die Kaffeerösterei ist. Daraus ist das entstanden. Die Kundinnen haben gefragt: "Mit welcher Farbe macht Ihr das?" Dann haben sie eine holländische Farbfirma, Painting the Past, mit einem kleinen Display im Laden verkauft. Die Farbe hatten wir auch als Produkt im Onlineshop. Es gab dann ein paar Zufälle. Meine Mutter ist damals krank geworden. Sie haben den Laden geschlossen. In der Phase hätte Astrid - meine Schwester - für die nächsten fünf Jahre einen neuen Mietvertrag unterschreiben müssen. Das war ihr einfach zu viel. Das vierte Kind war zudem auch noch auf dem Weg. Aber dieser Onlineshop war noch da. Astrid hat gesagt: "Lass den online, für den Fall daß Kundinnen die Farbe bei uns im Laden gekauft haben und die nirgendssonst bekommen." Es war die Idee, dass das ein Backup ist. Irgendwann habe ich gesagt, dass wir ein bisschen Social Media machen können, wo der Shop schon einmal da ist. Das war diese Zeit, wo Social Media anfing, Instagram, Facebook. Die Facebookgruppe wurde damals gegründet. Astrid hat gestrichen und die Vorher-Nachher-Bilder in diese Gruppe hochgeladen. Es waren viertausend Leute in dieser Gruppe, hauptsächlich Frauen. Wir haben neunzig Prozent weibliche Kunden. Die haben gefragt: "Womit streichst du das? Ich will das auch machen. Woher bekomme ich die Farbe?" Ich habe darunter gepostet: "Bei MissPompadour auf der Seite. Da ist der Link. Das und das brauchst du." Das war der Startschuss. Irgendwann waren nicht mehr viertausend, sondern vierzigtausend in der Gruppe. Einige Blogartikel, die wir auf unserer Seite hatten, sind von Pinterest aufgenommen und sehr gut ausgespielt worden. Es kamen dann die ersten Kundinnen von außen in den Shop. Wir haben das immer weiter ausgebaut, haben zu dritt gesagt: "Jetzt machen wir es gescheit. Wir haben viele Kundinnen. Das müssen wir ernst nehmen." Dann kam Corona, und es ist explodiert. Das waren die Anfänge.
Woher kommt der Name? War der von Anfang an der Name für den Onlineshop?
Nein. Das Geschäft hieß Pompadour. Das ist diese geschichtliche Figur aus Paris. Die Mätresse von Louis dem 14. war eine Frau, die sich aus der untersten Schicht in Paris hochgearbeitet hat, in welcher Art und Weise auch immer. Sie war in der Geschichte eine sehr starke Frau. Das haben meine Mutter und meine Schwester für mich mit dem Laden verkörpert. Pompadour.de konnten wir nicht nehmen, weil es von Teekanne einen Pompadour-Tee gibt. Das ist eine Tee-Mischung, die Pompadour heißt. Deshalb war die Domain schon geschützt. Ich habe gesagt: "Dann setzen wir Miss davor. Das ist etwas internationaler." Damals war das noch so klassisch, myspace.com, meinetinte24.de. Man hatte noch Doppelbegriffe. Heute schaut man, dass eine Domain nicht mehr als fünf Buchstaben hat und am besten generisch ist. Das wussten wir noch nicht. missompadour.de war die erste Domain. Als wir angefangen haben, eine eigene Farbmarke zu bauen, hatten wir nicht das Geld für ein komplettes Rebranding und haben einfach durchgezogen. Wir haben gesagt: "Das sind wir. Das ist die Marke." Und so ist es geblieben.
Gib mir schnell einen zeitlichen Ablauf. Wann hat Astrid das Geschäft geschlossen? Der Onlineshop war schon parallel zum analogen Shop online?
Ja. Den Onlineshop haben wir 2016 gelauncht. 2018 wurde das Geschäft geschlossen. In diesen zwei Jahren hat der Onlineshop nicht wirklich Umsatz gemacht. Wir hatten Kerzen, Gläser und Teller im Shop. Nun kam Westwing um die Ecke, da musste man nicht anfangen. Wir hatten keine Ahnung von Performance-Marketing. Am Anfang haben Niklas, Astrid und ich eine GbR gegründet, um das rechtlich abzusichern. Das waren die ersten Schritte. 2019 haben wir gesagt: "Wir machen wir eine GmbH daraus." Bis 2020 waren wir reine Farbenhändler. Wir hatten vier Farbmarken, die wir verkauft haben. Mit Corona haben wir gemerkt, die Farbbranche ist so langsam und kann nur langsam reagieren. Wir müssen eine eigene Marke werden, wenn wir das Ganze wachsen lassen wollen. Wir haben 2020 angefangen, nach Produzenten zu suchen und die eigene Marke aufzubauen. MissPompadour nicht nur als Webshop, sondern auch als Farbmarke, wo wir jetzt sind. Im Oktober 2020 hatten wir die ersten sieben Farbtöne in der eigenen Qualität. Wir hatten sechs Jahre. Jetzt haben wir die Dachmarke MissPompadour. Darunter haben wir die unterschiedlichen Kollektionen, zum Beispiel die Einfach streichen-Kollektion. Das ist unsere Qualität, womit unsere Kunden ihre Wände, Möbel oder Küchen streichen. LittlePomp ist die Kinderzimmermarke, wenn junge Eltern das Kinderzimmer streichen. CosyColours ist, wenn eine Kundin sich auf dem Flohmarkt ein Möbelstück kauft und das streicht, so wie wir das früher im Laden gemacht haben. Das sind unsere drei Marken. Das ist die Timeline bis heute. Letztes Jahr haben wir nach Frankreich und Holland internationalisiert. Im Januar geht der Schritt zu 162 Hornbach-Filialen. Im nächsten Jahr ist die Internationalisierung nach Schweden und Polen geplant.
Das ist eine erstaunliche Entwicklung. War die Facebook-Gruppe der entscheidende Schritt? Heißt die auch MissPompadour?
Es war in dem Maße der entscheidende Schritt, weil wir kein Geld für Marketing hatten, aber die Möglichkeit, Kunden anzusprechen. Das war der entscheidende Schritt. Facebook hat damals dieses Gruppenthema gepusht. Die wollten wieder ein Social Media werden, nachdem es von den persönlichen Seiten nur noch auf Gefällt-mir-Seiten gegangen ist. Irgendwann war das eigene Profil irrelevant. Man hatte nur noch den Content der Gefällt-mir-Seiten. Damit die Leute wieder miteinander sprechen, hatte man entweder den Messenger oder die Gruppen. Deshalb wurden die im Feed sehr stark gepusht. Ich habe die Gruppe genannt: DIY-Streichen mit Kreidefarbe von MissPompadour. Das klingt kompliziert, aber das waren viele Keywords, die Facebook gemocht hat. Das heißt, wenn du schon einige DIY-Seiten geliked hattest, wurde dir die Gruppe angezeigt.
Das ist clever.
Dadurch hat sich die Gruppe extrem schnell gefüllt. Wer sich für Streichen interessiert hat und für DIY, ist fast automatisch hineingekommen. Das hat uns nichts gekostet. Wir hatten den direkten Zugriff zu Kundinnen, was im E-Commerce immer das Problem ist, dass man den eigentlich nicht hat. Wir konnten selbst direkt beraten. Das war extrem anstrengend. Ich habe sieben Tage die Woche rund um die Uhr in dieser Gruppe beraten. Wir waren das zweite Unternehmen in Deutschland, was WhatsApp-Beratung installiert hat, also WhatsApp Business. Wir haben von Anfang an gesagt: "Wenn du eine Frage hast oder ein Bild schicken willst, wenn du ein Problem hast, schicke uns einfach eine WhatsApp." Was gibt es Tieferes, als zwischen der Mutter und der besten Freundin als Marke im Handy zu sein? Die Hemmschwelle ist viel geringer, als wenn ich anrufe. Wer ruft gerne an? Das wissen wir alle. Wenn ich anrufe, ist es ein so ernstes Thema, dass du nicht per WhatsApp lösen kannst. Aber das heißt, dass ich rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche, entweder in der Gruppe oder über WhatsApp beraten habe. Wir haben gemerkt, dass wir es schaffen können, über eine Community Sales zu generieren. Aber wir müssen eine Marke sein, die sehr viel kommuniziert. Wir haben heute 28 Festangestellte in der Kundenberatung, die sechs Tage die Woche über alle Kanäle beraten, die wir haben. Die Gruppe war super, weil wir nichts für Performance-Marketing ausgegeben haben und keine Mitarbeiter brauchten. Es war unser eigenes Affiliate-Marketing. Wir haben einen Link gepostet und geschaut, wie eine halbe Stunde später der Umsatz erzielt wurde. In diesem Bereich war es für uns ein bisschen Goldgräberstimmung. Ich würde das heute immer noch ganz vielen empfehlen. Ob das eine Facebook-Gruppe ist, weiß ich nicht. Man kann auch WhatsApp-Channels oder Instagram-Channels machen. Sich so eine Community zu schaffen, das ist das Beste, was dir passieren kann, weil wir über die Gruppe nicht nur Verkäufe generieren. Ich bleibe als Beispiel in der Gruppe. Wir haben jetzt viele solche Inseln, weil wir nicht nur Verkäufe generieren, sondern darüber extrem viel Content bekommen. Unsere Kundin macht dasselbe, was Astrid damals gemacht hat. Sie streicht und möchte allen zeigen, wie cool das funktioniert hat. Alleine in unsere App bekommen wir von unseren Kundinnen im Monat 17.000 Vorher-Nachher-Bilder hochgeladen, welche wir nutzen können, um anderen potenziellen Kundinnen zu erzählen: "Schau mal, das funktioniert." Und mehr Trust gibt es nicht als Marke. Wir als Marke können immer sagen: "Wir haben das geilste Produkt." Aber wenn es eine Kundin einer anderen Kundin erzählt, ist das viel besser. Diese Gruppe war der Anstoß, um zu sehen, dass diese Geschäftsmöglichkeit besteht und das zu performen und zu bauen. Jetzt sind über 100.000 Frauen in der Gruppe. Es ist nicht mehr unser wichtigster Absatzkanal, aber es ist immer noch unser Herz, wo wir Kundinnen-Stimmen bekommen, wenn wir Fragen haben. Ich kann es dir nachher zeigen. Wir haben das ganze Gebäude hier übernommen und einen Showroom eingerichtet, weil Kundinnen immer wieder fragen: "Kann ich mal vorbeikommen?" Oder die stehen einfach hier. Meist ist niemand da. Wir sind ein Remote-Unternehmen. Die Logistik ist in Laaber. Wir haben das letzte Woche in der Gruppe angeteasert, dass es den Showroom geben wird, und es ist explodiert. Wir wissen, dass aus dieser Gruppe im nächsten halben Jahr dreitausend bis fünftausend Frauen hierherfahren werden, um sich das anzuschauen. Was will man mehr als Marke?
Parken die beim Edeka? Das musst du mit dem Chef sprechen.
Solange er nicht meckert. Wenn sie danach noch da einkaufen, ist das okay (lacht).
Die Logistik ist ein paar Kilometer entfernt, in Laaber?
Die Logistik ist in Laaber. Wir machen die Logistik einhundert Prozent inhouse. Wir müssen umziehen. Es ist noch nicht offiziell. Wir werden auf der anderen Stadtseite, in Richtung Straubing, eine große Logistik beziehen, weil wir keinen Platz für unser glücklicherweise so schnelles Wachstum haben. Es geht so vorwärts, dass alles ausgeschöpft ist. Wir haben alles, was irgendwie frei war, besetzt.
Hast du die Firma mit Astrid und Niklas direkt nach dem Studium gegründet?
Nicht ganz. Dieser Abschluss war 2016. Die GmbH haben wir 2019 gegründet. Ich habe noch zwei Jahre in der Modeindustrie gearbeitet. Ich habe Mode und Designmanagement studiert und in München zwei Jahre bei einer Unterwäsche-Firma gearbeitet. Dort habe ich mich mit dem B2B-Shop beschäftigt. Ich bin dem E-Commerce treu geblieben. Davor war ich in München im Sporthaus Schuster. Ich weiß nicht, ob dir das etwas sagt.
Na klar.
Das kennt man eigentlich, wenn man sich ein bisschen mit Sport beschäftigt, zumindest in Bayern. Ich hatte während des Studiums in der E-Commerce-Abteilung gearbeitet. Deshalb kam ich auf die Idee zu fragen, warum sie keinen Online-Shop betreiben, wenn sie ein Geschäft haben. Ich war damals ein bisschen naiv. Deshalb war ich ziemlich schnell in dieser Branche drin.
Am Anfang waren in eurem Online-Shop noch andere Produkte? Wann habt Ihr entschieden, alles andere weg und nur noch Farben?
2019 mit der Umstellung auf die GmbH. Wir haben alles andere hinausgeworfen, weil wir gesehen haben, der Traffic kommt durch die Farbe, durch das Interesse in der Gruppe, auf Pinterest, überhaupt Social Media. Die Fragen sind nicht: "Woher bekomme ich diesen Kronleuchter?" Sondern die Fragen sind: "Ich kann Fliesen streichen?" Es war der Trigger. Ich war damals mit Nicki mit einem VW-Bus klischeehaft in Frankreich drei Wochen unterwegs. Er hat bei einem ziemlich guten Start-up in Helsinki gearbeitet, bei Starship Robotics. Die machen diese Last-mile Delivery-Roboter. Ich hatte ihn gefragt, wenn es bei uns losgeht, ob er nicht Lust hat, mitzumachen. Er hat ja gesagt. Wobei, er hatte kein Risiko. Der könnte morgen überall auf der ganzen Welt arbeiten. Trotzdem ist er den Schritt gegangen. Bei dieser Tour haben wir überlegt, wie bauen wir den Shop so um, dass er nur noch auf Farbe geht, dass die Bilder gut funktionieren, dass die Kundin sofort erkennt, welches Produkt sie braucht, um das und das zu streichen. So hat es angefangen. Das war ein WordPress-Shop.
Das ist verrückt.
Den haben wir bis 8,5 Millionen Euro Umsatz hochskaliert. Vor zwei Jahren sind wir dann auf Shopware umgestiegen. Die zwei Hamann-Brüder, Stefan und Sebastian Hamann, haben bei uns investiert. Deshalb war es auch ein bisschen politisch.
Ab wann konntet Ihr davon leben? Am Anfang hat es sich nach sehr viel Arbeit und wenig Geld verdienen angehört.
Man muss noch sagen, als wir entschieden haben, dass wir das machen, kam durch einen Bekannten die englische Farbfirma Mylands auf uns zu. Das ist die drittgrößte in England, Hoflieferant der Queen. Jetzt gibt es die Queen nicht mehr. Die Farbe funktioniert so, wie du es wahrscheinlich aus dem Baumarkt kennst. Du hast eine Dose mit der Basis. Dann entscheidest du dich für einen Farbton. Die Pigmente werden hineingegeben. Das Ganze wird geschüttelt, und du nimmst die Dose mit nach Hause.
Ich habe keine Ahnung, aber bitte fahren Sie fort (lacht).
So ist der normale Ablauf im Baumarkt. Der Vorteil ist, du hast immer die gleiche Basis. Aber, wenn du 300 Farbtöne vorgemischt hättest, bräuchtest du pro Farbton drei Paletten. Das heißt, du brauchst ein Lager. So hast du zehn Paletten von der Basis und gibst einfach hinzu. Das machen wir bis heute immer noch. Wir haben in Laaber zehn Maschinen in der Reihe stehen. Im Dreischichtsystem wird gemixt. Jede Dose wird aufgemacht und gemischt, bis auf unsere Topseller. Die sind schon fertig gemischt. Wenn wir die mischen würden, würden wir das logistisch nicht hinbekommen. Der Engländer, der damals auf uns zukam, hat gesagt: "Wir möchten gerne auf den deutschen Markt. Wir stellen euch die Basen. Wir stellen euch die Mischmaschine und die Pigmentmaschine. Wenn wir neue Kunden akquirieren, geht der Auftrag an euch." Die arbeiten mehr mit Inneneinrichtern zusammen. "Ihr mischt die Dose und schickt ihm die zu." Wir haben gesagt: "Das machen wir." Wir hatten den Vorteil, wir haben das Produkt von denen mit einer viel besseren Marge bekommen, weil die Zwischenebene weg war. Das hat uns beim Wachsen sehr geholfen, weil wir viel bessere Margen hatten als bei unseren anderen Marken, die wir verkauft haben. Wir sind das erste Mal mit diesem Produkt Farbe wirklich in Berührung gekommen. Davor war das nur eine Dose, die wir verschickt haben. Wir haben über den Nutzen gesprochen. Dann mussten wir lernen, wie mischt man das am Computer. Das kann ich unten an der Maschine zeigen. Was ist in so einer Dose? Wie funktioniert das Ganze? Ich habe damals gekündigt und kam nach Regensburg, um es gescheit zu machen. Aus dem Case ist nie etwas geworden. Wir waren irgendwann der größte Händler der Marke in ganz Europa. Die haben es nicht geschafft, neue Händler zu akquirieren. Die hatten einen Vertrieb in Deutschland und der hat es nicht hinbekommen. Ich habe mit dem Gedanken gekündigt, wir werden schon ein paar 10.000 Euro Umsatz mit denen den Monat machen. Ich kann mich nebenher noch auf unseren Shop konzentrieren und bin finanziell sicher. Wir haben deren Produkt viel schneller en masse an unsere Endverbraucherinnen verkauft. Mit dem Schritt konnte ich mir schon ein Gehalt auszahlen, mit dem man nach dem Studium in Regensburg gut leben kann. Astrid hat noch ein Jahr auf ein Gehalt verzichtet, was nicht dramatisch war. Von Tag eins an lief es bei uns. Ich hatte nie das Problem, dass ich drei Jahre von Pizzaresten leben muss, bis der große Erfolg kommt. Es war von Anfang an ein Geschäftsmodell, was profitabel funktioniert hat, bis heute.
Hat diese englische Farbfirma euch mit einem Werbekostenzuschuss oder Ähnlichem gefüttert?
So etwas gibt es in dieser ganzen Farbbranche nicht. Im Endeffekt hätten wir die Dosen auch an die verkauft. Wir mussten sie nicht einkaufen. Aber wenn ein anderer bestellt hätte, hätten wir die an den verkauft, hätten die Marge für den Produktpreis nach England geschickt und unsere Marge behalten. Der hätte noch seine Händlermarge gehabt. So war die Idee. Wir mussten uns keine Ware auf Lager legen. Wir mussten sie nicht vorher bezahlen. Da wir es selbst in unserem Onlineshop verkauft haben, hatten wir 18 Prozent mehr Marge, weil wir keine Händlermarge dazwischen hatten. Die hat uns sehr geholfen. Wir konnten das erste Mal Performance-Marketing schalten. Wir haben 50 Euro am Tag bei Facebook ausgegeben. Astrid hat mir erst letzte Woche gesagt, wir haben Blut und Wasser geschwitzt. 50 Euro am Tag. Heute lachen wir darüber.
Das ist heftig für ein Start-up, 50 Euro am Tag.
Hätte ich das Wissen von heute, hätte ich damals nicht 50 Euro, sondern 50.000 am Tag ausgegeben. So günstig und einfach Kunden einzukaufen, das kam nicht wieder. Hinterher ist man immer schlauer. Das Performance-Marketing ist nicht unser Fachgebiet. Deshalb ist alles fein. Die Puzzlestücke haben sich zusammengesetzt aus vielen Entscheidungen, die uns möglicherweise auch von anderen abgenommen wurden, wo man ein Sicherheitsnetz hatte. Was es nicht gab, nur in der Psyche, im Kopf. Wir haben für uns festgelegt, ein Kunde muss von Tag eins an profitabel für uns sein. Ich kenne keinen, der dieses klassische E-Commerce oder Fast growing-Game erfolgreich macht. Wir kaufen uns einen Kunden für 150 Euro ein, und beim dritten Kauf ist er sehr profitabel. Für mich ist das der größte Scam, den die E-Commerce-Branche sich je erzählt hat. Vielleicht Amazon hat es geschafft, aber nur, weil sie AWS bekommen haben. Uns war immer wichtig, wenn wir eine Dose verkaufen, muss ein Euro übrig bleiben. Das haben wir bis heute. Unser Wachstum stemmen wir aus uns selbst heraus, aus dieser Profitabilität.
Ich habe vor kurzem ein Interview mit Duschbrocken gehört. Die fahren dieselbe Strategie. Er sagt, jeder Kunde muss sofort mindestens Cashflow-positiv sein, damit wir, wenn wir den zweiten Duschbrocken verkaufen, auf jeden Fall damit etwas verdienen.
Ich habe im Sportgeschäft Einzelhandelskaufmann gelernt. Wir hätten nie ein Shirt unter dem Einkaufspreis verkauft, falls der Kunde drei Wochen später wiederkommt. Das macht niemand. Ich weiß nicht, wo das herkam. Es kommt aus dieser Stars-Idee. Ich verkaufe eine Software. Wenn ich das Abo habe, ist er irgendwann rentabel. Fair enough. Da funktioniert es auch. Aber im E-Commerce funktioniert es meiner Meinung nach nicht.
Ich kann überall Farbe kaufen. Was ist euer Unterscheidungsmerkmal? Was macht euch besonders?
Besonders macht uns, dass wir die Kundinnen ernst nehmen. Wir verkaufen an die Kundinnen. Wir haben zwei Entscheidungen, wonach wir alles in unserem Unternehmen machen. Punkt ein ist, ist die Kundin glücklich? Punkt zwei, verkaufen wir dadurch eine Dose mehr. Damit hinterfragen wir alles. Ich sage oft Kundinnen, weil 90 Prozent unserer Kunden sind weiblich. Streichen ist ein Handwerk, was viele Frauen gerne als Einstieg machen, die nicht DIY-affin oder nicht handwerklich begabt sind. Streichen kann jeder. Trotzdem ist es mit vielen Ängsten besetzt. Unsere Kundin nimmt sich vor, eine Küche zu streichen. Das kann schiefgehen. DIY kann immer schiefgehen. Es darf nur nicht am Produkt liegen. Der Mann sagt: "Was hast du da für einen Mist gesehen? Dazu habe ich keine Lust." Der Nachbar sagt: "Du kannst keine Küche streichen." Der Mitarbeiter im Baumarkt ist nicht da oder sagt: "Nein, machen Sie das lieber nicht." Der will nicht, dass danach die Reklamation kommt. Da kommen wir mit unserer Kraft. Wir sagen: "Schau dir erstmal an, was Influencerin XY gemacht hat." Die Kundin sieht das bei der auf dem Kanal o der schaut bei uns auf Social Media. Oder sie schaut ein YouTube-Video, stolpert über uns. Sie will die Küche streichen, und wir zeigen das. Sie sagt: "Das geht wirklich. Ich rufe da an oder sie schreibe eine WhatsApp." Wir beraten sie. Manchmal haben wir eine Customer Journey von drei Monaten. Das mag verrückt klingen, aber die Kundin ist am Ende so glücklich. Wir haben eine Retourenquote von unter zwei Prozent, was im E-Commerce nicht existiert, weil wir uns die Zeit nehmen, weil wir sie beraten. Oft erzählt sie am Telefon, sie streicht das Kinderzimmer. Das Kind geht in die USA zum Studieren. Sie will das einfach erzählen. Das nehmen wir ernst. Wir hören zu. Wir verkaufen ihr nichts zusätzlich. Sie bekommt die Beratung für ihr Produkt. Wir helfen ihr danach, wenn was schiefgegangen ist. Wir sind vollumfänglich für die Kundin da. Wir machen das, was der Einzelhandel machen sollte, nur, dass wir ein E-Commerce sind. Wir beraten dich, und wenn du glücklich bist, kaufst du wieder bei uns oder sagst deiner besten Freundin, dass es unglaublich toll war. Oder du sagst es der Welt, indem du Bewertungen über uns schreibst. Wir haben nach sechs Jahren immer noch eine Bewertung von 4,94 als Webshop, was auch ungewöhnlich ist. Alles über vier ist bei der Menge an Bewertungen großartig. Unser Geheimrezept ist ein Produkt, was funktionieren muss. Wenn es nicht funktioniert, bekommen wir es direkt ins Gesicht gesagt. Wir sind überall angreifbar. Astrid ist mit ihrem Gesicht draußen. Wenn von fünf gestrichenen Küchen zwei nicht funktionieren würden, säßen wir nicht hier. Dann wären wir insolvent. Das Produkt muss exzellent sein. Die Shoparchitektur muss perfekt sein. Das Marketing muss großartig sein. Am Ende verkaufen wir das Produkt mit Überzeugung. Wir nennen uns wieder Kaufleute, auch wenn es altbacken ist. Wir sind nichts anderes, nur weil der Verkaufsplatz ein Webshop ist, anstatt eines Geschäfts oder des Großfachhandels. Am Ende sind wir Kaufleute und nehmen die Kundin ernst. Das machen wir von Anfang an. Das ist das, warum die Kundin uns wertschätzt. Wir haben eine Wiederkaufquote von drei bis vier Wiederkäufen im Jahr, was bei Farbe ungewöhnlich ist. Die Farbbranche rechnet damit, dass die Kundin alle sieben Jahre streicht. Das ist der Schnitt. Unsere Kundin streicht ein Möbelstück und ist von dieser Experience so begeistert, dass sie sagt; "Was kann ich denn als Nächstes streichen?" Erst streicht sie ein Zimmer und macht danach vielleicht ein größeres Projekt, dass sie alle Türen streicht. Es kann auch sein, dass sie zwei Jahre nicht streicht. Das ist in Ordnung. Irgendwann sieht sie das Gartenhäuschen draußen, dann muss MissPompadour bei ihr aufkommen. Das ist uns am wichtigsten. Wir arbeiten rund um die Uhr daran. Unser Geheimrezept ist auch, immer weitermachen, sich Neues überlegen. Wie kann man noch besser werden? Wie kann man die Kundin noch besser beraten, noch näher an ihr dran sein, ihr noch mehr bieten? Es gibt keinen Stillstand. Wer sich sehr schnell ausruht oder denkt, ich habe es geschafft, da kommt nichts mehr.
Kann ich Tag und Nacht bei euch anrufen?
Theoretisch ja. Offiziell von 8:00 bis 21:00 Uhr. Es gibt das deutsche Arbeitsgesetz und so weiter. Sonntags dürfen wir nicht. Sonntags versuchen wir sehr viel mit KI zu lösen. Die KI berät nicht, sondern kann Fragen beantworten. Wo ist meine Bestellung? Das kann sie beantworten. Da brauche ich nicht viel persönliche Interaktion. Wichtig ist, dass sie sagt: "Hier ist die KI von MissPompadour. Ich weiß, du hättest jetzt Interesse an einer Beratung. Aber heute ist Sonntag. Wir dürfen leider nicht. Wir melden uns morgen bei dir." Das reicht schon. Du kannst uns bis 21:00 Uhr abends erreichen. 23:00 Uhr nicht. Du kannst trotzdem 23:00 Uhr eine WhatsApp-Nachricht schicken. Normalerweise sollte sie am nächsten Morgen beantwortet sein.
Wie viel Prozent rufen an und wie viel Prozent nutzen WhatsApp? Kannst du das abschätzen? Mich würde interessieren, wie viele Leute noch anrufen. Kann ich über WhatsApp auch eine Sprachnachricht schicken?
Ich würde mich nicht auf WhatsApp fixieren. Ich würde es Messaging nennen. Unsere Kundin schickt nicht nur eine WhatsApp-Nachricht, sondern auch eine Nachricht über Instagram, Facebook oder Pinterest. Das wird über eine API der Kundenberatung speziell zugeleitet. Daraus wird geantwortet. Der Kundin ist es heutzutage egal, worüber sie dir schreibt. Sie will dir in dem Moment schreiben, wenn sie eine Frage hat. Welche App dabei gerade offen ist, ist ihr egal. Ich würde sagen 60 Prozent Messaging. Da beziehe ich E-Mails und schriftliche Kommunikation mit ein. 40 Prozent sind Telefon, Sprache oder Video.
Ich will dich kurz provozieren und sagen: "Du bist kein E-Commerce-Unternehmen. Du bist ein Beratungsunternehmen, das User generated-Content moderiert."
Ja, absolut. Plus Farbmarke. Das ist richtig.
Das ist genial. Es ist das genialste Geschäftsmodell auf dem Planeten, weil du diese Beziehung in den Vordergrund stellst und deine Kundinnen die Arbeit machen in Anführungszeichen, sprich den Content liefern. Aber du kümmerst dich gut um sie.
Ja. Man muss dazu professionell mit unterstützen. Wir haben hier ein Studio. Wir haben sieben Mitarbeiter, die nur Content machen. Wir kaufen Content von Influencerinnen zu. Unsere KI-Bildproduktion ist sehr weit. Da sind wir sehr weit vorne, was Deutschland angeht. Der Mix macht es. Die Kundin will trotzdem etwas Professionelles sehen. Nichtsdestotrotz ist es Gold wert. Die Diskussion habe ich viel in der Branche. Entweder bist du ein massiv großer Player wie Amazon oder Otto, Shein. Oder du bist eine Marke, die an der Kundin ist. Aber diese klassischen Autoreifen 24-Shops mit 60.000 SKU, wo ein Katalog digitalisiert ist, das ist vorbei. Dagegen gewinnen entweder die Günstigen oder die so großen, die es über Milliarden lösen. Wir können mit einem Sweetspot hineingehen, sehr nischig, sehr direkt. Dieser Bautenfarbe-DIY-Markt ist in Deutschland sechs Milliarden groß. Das ist nicht wenig. Jeder muss irgendwie streichen. Trotzdem nennen wir es eine spitze Nische. Das ist ein spezieller Bereich. Es sind nur wenige Produkte. Aber das, was wir außen herumbauen, ist eine Welt, eine Community, ein Beisammensein. Im digitalen Handel gibt es nur noch diese zwei Wege, Masse und Preis. Oder du bist eine Love Brand. Man muss sich nur more und ESN anschauen, diese Nutrition-Marken, die vor zehn Jahren angefangen haben und jetzt eine halbe Milliarde Umsatz machen. Die verkaufen nur über Community, nur über ihre Gruppe, über diesen Fitnessbereich. Da sieht man, wie schnell man so etwas aufbauen kann. Dieser klassische Online-Handel bei jemandem wie Bergsport oder Schuster ist sehr schwierig, das noch profitabel zu machen. Ich habe mich mit dem Geschäftsführer unterhalten, weil wir uns immer mal wieder sehen. Die überlegen sogar, ob sie den Onlineshop nicht unter null fahren, für eine Kundin, damit sie die Dienstleistung noch hat. Aber das Geschäft kommt wieder aus dem Laden, weil die Kosten im E-Commerce so hoch sind. Das ist der Unterschied. Wir hatten damals das Glück, dass 2018, 2019 die Kosten sehr gering waren. Jetzt erhalte ich von DHL im November eine Mail, dass die Preise pro Paket 50 Cent teurer werden, weil wir in der Rushhour sind.
Was heißt denn Rushhour?
Jetzt sind die drei starken Monate des Jahres, also Oktober bis Dezember, deshalb werden die Pakete 50 Cent teurer, weil sie mehr zu tun haben. Man könnte es auch Monopol nennen. Aber wir wollen uns nicht in die juristische Problematik bringen. Einen Onlineshop profitabel zu betreiben, ist nicht mehr leicht. Außer wir haben eine Preishoheit und können machen, was wir wollen.
Ich schätze, Margen über 50 Prozent, hat der Sport Schuster nicht. Der hat keinen Verhandlungsspielraum.
Genau so ist es.
Mein Logistiker hat mir angeboten, DPD dazuzunehmen. DPD macht wahrscheinlich das gleiche Spiel in der Rushhour.
Wir haben immer das Thema, dass wir auch in entlegene Gegenden liefern müssen. Da ist die Post einfach am besten. Wir können auch mehr dazunehmen. Man kann da auch diversifizieren, aber auf der anderen Seite machen sie inhaltlich einen guten Job. Aber sie wissen auch, wie sie noch mehr herauspressen.
Wo sitzt Ihr und warum habt Ihr euch für diesen Standort entschieden?
Wir sitzen in Sinzing bei Regensburg. Eigentlich sitzen wir in Regensburg, aber durch unser schnelles Wachstum mussten wir umziehen. In dem Gebäude, wo wir jetzt sitzen, hatten früher unsere erste größere Logistik. Wir sind im Posthorngässchen in Regensburg gestartet. Das ist beim Goliathhaus. Dann waren wir in Schwabelweis, mussten aber schnell wieder weg. Wir haben bei Ebay-Kleinanzeigen geschaut, wo es etwas Freies gibt.
Das ist euer Geheimnis, Ebay-Kleinanzeigen?
Flexibilität und schnell sein, das ist unser Geheimnis. Da mussten wir leider raus, weil die Maklerin uns verschwiegen hat, dass das ein Wohngebiet ist. Da dürfen keine LKW hineinfahren. Wir haben das hier schnell gefunden und sind hier geblieben. Eine GmbH-Adresse umzuziehen, ist ein großer Schmerz. Dieses Gebäude haben wir komplett übernommen. Das ist jetzt unser Campus. Wir sind ein Remote-Unternehmen. Wir haben 170 Mitarbeiter. Trotzdem brauchen die einen Ort, wo sie hinkommen, wo wir Events machen können, wo wir Schulungen machen. Das ist unser Zuhause in Anführungszeichen. Ich persönlich lebe in Wien und arbeite auch aus Wien. Niklas wohnt in Helsinki und ist da mit seinem Team. Astrid ist hier familiär und auch, weil sie die Logistik in ihren Verantwortlichkeiten hat. Das war eine lange Antwort für eine einfache Frage. Regensburg, einfach weil Astrid damals hier war. Es hatte keinen strategischen. Heute würde ich es auch anders machen, um ehrlich zu sein.
Echt? Von wo aus würdest du heute starten?
Als Firmensitz wüsste ich nicht, aber Logistik würde ich eher in Mitteldeutschland machen. Um das zu wissen oder in diesen Sweet Spot zu kommen, muss man eine gewisse Größe haben. Regensburg ist eine tolle Studentenstadt mit vielen tollen Absolventinnen in den klassischen Studienfächern. Aber Marketing, E-Commerce, Content, alles, was unser Thema ist, das findet in eher Berlin und Hamburg statt. Das war auch der Grund für diesen Remote-Ansatz. Erstens sind wir in Corona entstanden. Wir konnten nicht anders einstellen. Die tollsten Talente leben in Hamburg, und die ziehen nicht extra nach Regensburg. Die Zeiten sind vorbei. Regensburg ist eine tolle Stadt. Ich bin hier aufgewachsen. Ich mag die Stadt. Aber wenn ich in Hamburg lebe und dort mein Lebensmittelpunkt habe, dann ist es als Arbeitgeber schwer, die Person zu überzeugen, hierherzuziehen. Deshalb sehen wir uns als europäisches Unternehmen und nicht als Regensburger Unternehmen, vereinfacht gesagt.
Es ist spannend, wie sich das gewandelt hat, oder? Vor 20 Jahren war es selbstverständlich, ich bekomme einen tollen Job bei der Firma ABC, und natürlich ziehe ich dahin.
Wenn du früher bei Continental oder bei Infineon einen Job bekommen hast, ist die ganze Familie hergezogen. Das war bei uns nicht anders. Wir sind sechsmal umgezogen, weil mein Vater in der Textilindustrie einen neuen Job gekriegt hat. Das gibt es nicht mehr. Das ist in Ordnung. Ich habe den Luxus, dass ich in Wien leben darf und trotzdem hier arbeite.
Ich war noch nie in Wien. Es soll dort schön sein.
Wien ist eine der schönsten Städte, kann ich nur empfehlen. Von Regensburg mit dem ICE drei Stunden entfernt. Die Stadt ist toll für ein Wochenende.
Du hast kurz den Niklas, euren Mitgründer, angesprochen. Wie wichtig ist Technologie für euch? Zu wie viel Prozent seid ihr ein Technologieunternehmen, überspitzt formuliert. Es sieht aus, als hättet Ihr das gut im Griff. Ein Onlineshop ist nicht trivial.
33,3 Prozent sind Technik, 33,3 Prozent Content und 33,3 Prozent Logistik. Ein bisschen Beratung haben wir auch dazwischen. Es ist sehr relevant für uns, weil wir nicht nur rein den Webshop haben, wo wir technisch alles selber machen. Wir haben keine Agenturen, die uns betreuen, sondern wir haben unsere App, die extrem wichtig für uns ist. Wir haben über 150.000 App-User. Wir bauen gerade unser eigenes Social Media auf, sozusagen unseren eigenen Content-Garden mit allen Videos und Bildern unserer Kundinnen. Ein kleines Ziel für uns ist, ein DIY-Social Media in unserem Kosmos zu bauen, um von den Netzwerken unabhängig zu werden. Gerade ist unsere ganze Community in Facebook, in Instagram. Aber wir wissen, es kann sich jeden Tag alles ändern. Das sieht man in anderen Industrien. Deshalb ist das für uns extrem wichtig. Auch unsere Lagerlogistik-Software schreiben wir selbst. Niklas meiner Meinung nach einer der besten Programmierer, die es aus Deutschland gibt. Es ist für uns ein Riesenglück. Er hat in München Maschinenbau an der TU studiert, programmiert eigene Webseiten und Shops seit er elf ist. Der wäre in am Ende in einer Silicon Valley-Firma gelandet. Helsinki ist ein tolles Becken, weil es viel Start-ups gibt. Er hat tolle Connections. Wenn er jemanden braucht, findet er sofort Leute. Tallinn ist über das Meer. Man sagt, die Leute sind bezahlbar. Das ist auch wichtig. Wir können nicht für 500.000 Euro oder 600.000 Euro Jahresgehalt Programmierer einstellen, wie das jemand aus den USA kann. Das sind viele kleine Bausteine, die uns den Vorteil gegenüber anderen Firmen geben, die das teuer einkaufen müssen und nicht die Geschwindigkeit haben. Wenn wir sagen, wir wollen das tolle Feature, dauert es zwei Tage und ist im Shop. In der Zeit ist das Ticket bei einer Agentur noch nicht angeschaut worden. Deshalb ist das für uns sehr wichtig und relevant. Wir sind sicher die einzige Farbfirma in Europa, die das so auf jeder Ebene hat.
Das hört sich nach einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil an?
Absolut.
Jetzt frage ich mal Erik, den Visionär. Was ist euer Ziel? Wo wollt Ihr hin?
Die tonangebende Farbfirma Europas werden.
Was heißt das in Umsatz oder in Mitarbeitern oder in Börsennotierung?
Mein Kumpel sagt immer, dass man einen Kühlschrank immer nur einmal füllen kann. Uns geht es jetzt schon sehr gut. Der Markt ist sechs Milliarden groß, was Bautenfarbe angeht. Das werden wir nicht erreichen, das ist keine Frage. Aber 100, 150, 200 Millionen ist sicher möglich. Ob man es erreicht, weiß man nie. Die Situation auf dem Markt ist, dass sich der Kauf vom Baumarkt in den E-Commerce verlagert. DIY ist so, wie es Fashion vor zehn, 15 Jahren mit Zalando war, dann war es Schmuck. Jetzt kommt DIY. Die Kundin fährt nicht extra in den Baumarkt fährt, sondern bestellt online. Wenn wir diese Verlagerung mitgehen, wachsen wir genug. Die Internationalisierung nach Frankreich und Holland läuft gut an. Wir sind da bereits bei siebenstelligen Umsätzen. Weitere Länder kommen dazu. Wenn ich jetzt den E-Commerce-Bereich verlasse und zu Hornbach schaue. Hornbach hat ab Januar 162 Filialen und macht den meisten Umsatz mit Farben, wie alle deutschen Baumarktketten. Wenn wir es schaffen, ein paar Prozent von der Kundin vom Regal zu uns zu ziehen, ist das machbar mit diesen 100, 150 Millionen. Wir haben natürlich einen Plan. Am Ende kann es anders kommen. Viel mehr Mitarbeiter brauchen wir nicht.
Toll.
Wir sind sehr schnell gewachsen. Wir sind 170 Mann innerhalb von sechs Jahren. Das muss eine Organisation verkraften. Das müssen auch wir als Kunde verkraften, dass alles funktioniert. Mit der Internationalisierung baut sich noch mehr auf. Ich denke, 200 bis 250 Leute sollten reichen. Mehr braucht es nicht.
Wie bekommt Ihr das im Kopf hin als Gründer? Mein Lieblingsbeispiel ist Mark Zuckerberg. Er ist ein Sonderling mit enormem Fachwissen. Der musste im Kopf extrem schnell wachsen. Der musste zu dem CEO werden, der jetzt ist, ob er vor einer Anhörung beim Kongress ist oder etwas anderes macht.
Das ist verrückt.
So persönlich zu wachsen, ist fast unmöglich. Und bei eurem Wachstum ist es auch unglaublich. Darüber gibt es sogar Bücher. Eines meiner Lieblingsbücher heißt Growing Pains. Wie macht Ihr das? Du hast nicht alles in der Uni gelernt, was du erlebst und welche Herausforderungen Ihr habt.
Absolut. Was gut ist, ist unsere Gründerkonstellation. Astrid ist meine ältere Schwester. Wir sind zwölf Jahre auseinander. Astrid hat ihr erstes Unternehmen mit 21 gegründet, das Café Kona. Sie hatte mit 23 Jahren 40 Mitarbeiter, verteilt über die Filialen. Die hat vieles, was passieren kann, bereits gesehen. Die hat gesehen, was gut läuft. Sie hat gesehen, was schlecht läuft. Sie hat jeden Fehler schon gemacht. Wenn die Berufsgenossenschaft vor der Tür steht, dann bekomme ich kalten Schweiß. Sie sagt aber, ich soll ihn erstmal hereinkommen lassen. Das hilft sehr. Wir drei sind von den Charakteren sehr unterschiedlich. Niklas ist klischeehaft der Analytiker, der Programmierer, manchmal etwas zu emotionslos. Ich bin genau das Gegenteil. Ich bin der Verkäufer, lasse Emotionen raus, gehe nach außen, treibe an und gebe Vollgas. Astrid ist die, die darüberschaut. Wir drei wissen, was wir können und reden uns nicht rein. Wir reden miteinander. Wir diskutieren miteinander. Ich muss Niklas nicht erzählen, wie er die App zu programmieren hat. Genauso wenig erzählt er mir nicht, ob wir mit Influencer XY eine Kooperation machen. Die Kooperation kostet 30.000 Euro. Da schauen wir vielleicht gemeinsam, ob wir das Geld ausgeben wollen. Wir sind dann alle drei dafür. Ich weiß nicht, ob ich so etwas alleine aufbauen könnte. Wir können sehr viel aufteilen, sehr viel miteinander reden. Das hilft sehr. Wir haben das Glück, dass wir ein paar Schlüsselstellen sehr gut besetzt haben. Durch Glück, aber auch durch eine gute Menschenkenntnis. Die Abteilungen laufen einfach. Wir können 100 Prozent darauf vertrauen. Das funktioniert und passt. Man kann Bücher lesen. Man kann sich Mentoren holen. Am Ende passiert das. Wir leiten das, wie es passiert, aber es passiert. Dann geht man automatisch mit.
Ich vermute, du lernst schnell, oder?
Ich hoffe, dass ich schnell lerne. Das können andere von außen besser bewerten, als ich selbst. Man selbst hat ein anderes Bild von sich. Aber klar, es ist schnelles Lernen. Ich persönlich musste hineinwachsen. Astrid ist die Ältere und hat ein anderes Standing. Ich bin der Jüngere. Ich musste für mich lernen, dass meine Stimme auch Gewicht hat. Nicht ihr gegenüber oder Niklas gegenüber, sondern wenn ich im Meeting sitze und sage, dass das jetzt so ist.
Also auch dir gegenüber?
Auch mir gegenüber, weil ich in dieser Rolle des kleinen Bruders war und das auch mit in die Firma hinübergegangen ist. Das war nicht negativ und aufgedrückt. Das war meine Rolle im Leben. Ich war nun mal der kleine Bruder. Manchmal habe ich es lieber Astrid sagen lassen, bin aber schnell hineingewachsen. Ich habe gemerkt, was meine Bereiche sind. Ich muss das sagen, weil es mein Job ist. So etwas lernt man mit der Zeit. Ich habe noch nie eine eigene Rezeptur entwickelt. Jetzt haben wir eigene Farbrezepturen entwickelt. Das ist wahrscheinlich das Talent, was man hat. Sonst würde jeder so eine Firma aufbauen. Das mag arrogant klingen, aber es gibt Dinge, die man besser kann als andere, sonst würden es alle machen. Bauchgefühl, gutes Märktesehen, Chancen sehen, Trends sehen. Das sind Dinge, die haben wir. Aber man muss es umsetzen. Es gibt keinen Fahrplan. Ich werde oft auch gefragt, wie wir dahin gekommen sind und sage oft, dass ich keine Ahnung haben, dass alles so schnell ging. Oder auch, was ich jemanden empfehlen würde. Hätte ich allerdings den perfekten Plan, würde ich dir nächste Woche zehn Firmen aufbauen und alle für 300 Millionen verkaufen.
Ich hätte Lust. Ich bin dabei.
Das ist vielleicht ein Einzelfall. Ich kenne viele erfolgreiche Gründer oder die ausgestiegen sind. Von denen hat es fast nie jemand geschafft, noch mal so etwas aufzubauen. Wir hatten viel Glück und waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir haben uns auf den Hosenboden gesetzt und die letzten sechs Jahre wirklich geackert. Wir tun es immer noch.
Ihr wirkt ziemlich entspannt hier. Wenn ich das richtig verstehe, liegt das auch an den Schlüsselpositionen, die Ihr richtig besetzt habt. Was sind das für Schlüsselpositionen? Wie hast du das organisiert? Diese Organisation wächst die ganze Zeit. Es gibt andauernd eine Art Zellteilung. Du brauchst diese Verantwortlichen. Was sind die wichtigsten Bereiche?
Das Allerwichtigste ist, dass MissPompadour ganz oben steht. Wir arbeiten alle für sie. So sehen wir das bildlich. Wir sind die Gründer. Vielleicht haben wir mehr Verantwortung als die anderen, auch rechtlich. Am Ende sind auch wir austauschbar. Immer. Ich kann morgen gegen einen Baum fahren und tot sein. Das kann passieren. Wir arbeiten genauso für die Firma. Dann kommen wir, weil wir die Gründer sind. Darunter kommt eine Teamleiterebene. Das ist der Teamleiter Kundenberatung, Teamleitung Head of Brand. Teamleitung, Performance-Marketing, Teamleitung CM-Marketing, Logistik, Internationalisierung, Einkauf. Haben wir jemanden vergessen?
Das ist viel.
Darunter sind die Spezialisten eingesetzt. In der Logistik haben wir die Logistikmitarbeiter. Im Performance-Marketing haben wir die Mitarbeiter, die für Meta verantwortlich sind, für Google, für Pinterest und Content. Im Head of Brand sitzen die meisten Leute. Es gibt das Influencermarketing-Team. Wir haben das Content-Team, das Grafik-Team. Wir haben fünf Leute in der Grafik, weil wir viel Content produzieren müssen.
Das ist sehr wichtig.
Bei uns auch. Wir haben weitere Leute, die Kundenberatung natürlich. So teilt sich das auf. Das war es. Es mag nach Klischee klingen, aber die Hierarchie ist bei uns sehr flach. Wir kommunizieren intern nur über Slack. Auch wir sind immer ansprechbar. Jeder ist abschreibbar. Manchmal muss schnell etwas bei mir landen. Oder ich werde schnell nach einer Meinung gefragt. Manchmal kann es sein, dass ich von einer Sache nichts höre. Die machen das einfach. Das ist sehr wichtig. Wenn alles über unseren Schreibtisch gehen würde, dann könnten wir dieses Tempo nicht halten. Unsere Mitarbeiter sind sehr frei. Wir sagen zum Spaß, wir haben Unternehmer im Unternehmen. Jeder denkt für das Unternehmen, aber auch für sich selbst. Das funktioniert sehr gut. Wir müssen sehr vertrauen. Bis auf die Logistik arbeiten 100 Mitarbeiter nur remote an einem Computer. Wenn ich da nicht vertrauen würde, dass sie ihren Job machen, dann würde es nicht funktionieren.
Hast du erfolgsabhängige Komponenten in dem Angestelltenmodell? Oder gibt es einfach nur Gehalt?
Nein, wir zahlen einfach ein gutes Gehalt.
Wie hoch ist der prozentuale Frauenanteil?
75 Prozent Frauen arbeiten bei uns. Social-Media-Marketing ist eher weiblich geprägt. Die Marke ist sehr weiblich. Wir rekrutieren sehr stark aus dieser Gruppe. Unsere Kundenberaterinnen und viele Mitarbeiterinnen sind aus dieser Gruppe. Wir werben für unsere Stellen in Social Media oder LinkedIn. Wir geben Null Euro im Jahr für Recruiting aus. Gestern haben wir 16:00 Uhr eine Stellenausschreibung für eine Influencer-Managerin eingestellt. Es kamen 180 Bewerbungen. Die Ausschreibung ist jetzt wieder offline. Das ist dieses Community-Ding. Die Leute sind so mit unserer Marke verbunden, wenn sie die Möglichkeit sehen, für uns zu arbeiten, wollen sie das. Das hat manchmal etwas Sekten-artiges. Das meine ich nicht böse. Jetzt kann ich verstehen, wie so etwas funktioniert. Das ist toll für uns, weil die Mitarbeiterinnen Emotionen zu uns haben. Die kennen unser Produkt. Sie kennen unsere Marke. Ich muss nicht viel einarbeiten. Denen muss ich nicht den Spirit herüberbringen. Die sagen, dass sie MissPompadour folgen, seit fünf Jahren mit unseren Produkten streichen und jetzt gerne bei uns arbeiten würden. Das ist beeindruckend.
Das finde ich gemein, dass du da nichts ausgibst. Da weinen alle, wenn das jemand liest. Was war die größte Herausforderung in der Startphase? Du darfst nur eine Sache nennen. Wie habt Ihr die gemeistert?
Die größte Herausforderung war das Wachstum.
Dass du die Produkte nicht verkaufst? Oder dass die Leute nicht genug beraten?
Es ging um Produktsicherheit, die Qualitätsstandards zu halten, dass Dinge ineinandergreifen. Die ersten drei Jahre haben wir nur reagiert und konnten nie nach vorne arbeiten. Wir sagen zum Spaß, das war unsere Kleinkindphase. Während Corona haben wir Farbe verkauft, die wir nicht hatten. Die Baumärkte waren zu. Die Leute haben uns den Shop eingerannt. Wir haben das nicht realisiert, bis wir gemerkt haben, wir haben nicht mehr den Bestand. Wir hatten noch kein Warenwirtschaftssystem, sondern wir haben morgens gezählt und haben gesagt, dass wir das heute verkaufen. Wir waren an einem normalen Tag 1000 Dosen im Rückstand. Das hinzubekommen, dass die Kundinnen die Ware trotzdem erhalten und unsere Reputation nicht darunter leidet, war ja eine anstrengende Phase. Ich bin freitags in einen russischen Supermarkt auf der anderen Donauseite gefahren und habe Kartonagen aus dem Papiermüll geholt, damit wir genug Füllmaterial für die Pakete hatten. Wir konnten nicht so schnell vom Lieferanten mit Füllmaterial beliefert werden. Während Corona hatten wir eine Häckselmaschine zum Zerkleinern. Das habe ich freitags auch noch gemacht und danach weiter gepackt, und Kundenberatung und Videos. In dieses Wachstum hineinzuwachsen, war die größte Qual, aber auch sehr positiv. Daraus entstanden weitere Probleme, Arbeitssicherheit, gewisse Regeln, an die man sich in Deutschland halten muss. Das mussten wir lernen. Wie gesagt, auf einmal steht ein Typ dir und frage, was wir hier machen. Du sagst, dass wir Farbe verschicken und er sagt, dass das ein Wohngebiet ist und das nicht geht. Hier könnten wir kein Unternehmen betreiben.
War das kein stilles Gewerbe?
Vorher war das eine Steinmetz-Werkstatt. Logistik darf in Deutschland nur in Industriegebieten stattfinden. Wir sind mehr ein Logistikunternehmen, als E-Commerce. Wir hatten sechs Wochen Zeit, auszuziehen und etwas Neues zu suchen. Das war das, was bis heute immer noch am meisten wehtut, da hineinzuwachsen.
Das verstehe ich. Was treibt euch an? Welchen Beweggrund habt Ihr? Warum machst du das alles? Du könntest irgendwo gemütlich einen Konzernjob haben und abends um 17:00 Uhr den Computer zuklappen? Das ist doch nicht normal.
Nein. Das ist nicht unser Charakter. Immer nach vorne, immer weiter. Ich kann dir nicht sagen, wo es herkommt. Das ist dämlich. Das ergibt nicht viel Sinn. Es ist das größte Problem unserer Gesellschaft. Es macht unglaublich Spaß, etwas aufzubauen. Es macht Spaß, wenn es funktioniert, wenn man was seinen eigenen Stempel darauf drücken darf. Natürlich macht es Spaß, das Wachstum der Firma zu sehen. Das ist mein Leben.
Du liebst es einfach?
Da du gerade dieses Beispiel genannt hast. Ich war bei einem klassischen Mittelständler. Es waren nur zwei Jahre. Aber jetzt habe ich die totale Freiheit. Ich kann machen, was ich will, solange es der Firma nicht schadet. Ich kann arbeiten, wie ich will, wann ich will. Wahrscheinlich arbeite ich mehr als der, der bis 17:00 Uhr auf seinem Suhl sitzt. Das ist mir klar. Es ist nicht arbeiten. Es ist Teil des Lebens. Das wissen viele Unternehmer, die so arbeiten. Das ist Teil des Lebens. Ich kann an einem Dienstag sagen: dass heute kein guter Tag ist, es keine wichtigen Termine gibt und ich drei Stunden in die Stadt geht und Kaffee trinke. Ich schaue einfach mal durch die Läden. Danach bin ich im Kopf wieder frei und arbeite weiter. Wenn ich um 8:00 Uhr einstempeln müsste und nur das machen darf, was der Firma passt, würde ich mich wie ein Tiger im Käfig fühlen. Es ist der Spaß am Bauen und die Freiheit.
Dieses Bauen muss irgendwo herkommen. Das muss sich schon früh gezeigt haben?
Ich habe letztens darüber nachgedacht. So gebaut habe ich nicht. Ich war nie der Hüttenbauer. Ich mag Wettkampf gerne. Ich mag es, diese Branche zu ärgern. Das macht uns allen dreien ziemlich Spaß. Aber ich habe mir schon immer überlegt, wie man aus bestimmten Dingen ein Business aufbauen kann. Ich hatte in meinem Freundeskreis den Ruf der Labertasche, weil ich immer gesagt habe: "Komm, da machen wir jetzt etwas daraus." Es ist nie etwas daraus geworden oder ich habe es nicht gemacht, aber es war immer in meinen Gedanken. Ich laufe oft durch die Welt, sehr irgendetwas und denke mir, da könnten wir ein Business daraus machen. Ich glaube, das ist es. Das ist sicher familiär angeboren. Ich komme aus einer selbstständigen Familie. Meine Eltern waren selbstständig, meine Großeltern waren selbstständig. Es war bei uns nie verpönt, wenn man sich selbstständig machen wollte. Es gab nie diesen Weg, dass ich in einen Konzern wie BMW gehen muss und mich da hocharbeite. Deshalb war es immer selbstverständlich. Dass es Farbe geworden ist, ist Zufall.
Bist du Sportler?
Ich mache Triathlon. Meine Schwestern spielen Basketball, auch meine Nichten und Neffen. Sport ist in unserer Familie wichtig.
Und wie groß ist Euer Team?
Seit gestern 173.
Du weißt es genau. Habt Ihr Euer Unternehmen selbst finanziert? Du hast Investoren erwähnt.
Die ersten dreieinhalb Jahre waren wir selbstfinanziert. Dann haben wir uns überlegt, was wir am allerwenigsten können. Uns ist aufgefallen, am allerwenigsten können wir E-Commerce. Das mag verrückt klingen, aber es ist so. Ich habe damals Sven Ritter kennengelernt. Das ist der Gründer von Zooplus, dem größten Onlinehandel für Tiernahrung in Europa. Er sagte, wir sollen uns melden, wenn wir Lust haben. Wir haben uns bei ihm und einer Gruppe von anderen E-Commercelern gemeldet. Zur Gruppe gehörte der Gründer von BSTN. Das ist einer der größten Sneaker-Shops in Europa. Visunext, die machen Beamer und statten alle Schulen in Deutschland aus. Alles Unternehmen weit über 150 Millionen. Die haben Langeweile und gehen ins Investment. Wir haben überlegt, was uns das bringt. Geld war uns nicht so wichtig. Aber die haben alle schon alles gesehen. Das ist die erste Generation E-Commerce, die 2000 bis 2005 angefangen haben. Das war die goldene Ära, wo man ein Blatt Papier online als Shop hochziehen konnte. Die haben bereits internationalisiert. Habe ich ein juristisches Problem, rufe ich an und frage wer mir einen Anwalt für das und das Thema empfehlen kann. Ich weiß, dann habe ich den besten, den es in Deutschland gibt. Es ist Smart money. Sie haben einen siebenstelligen Betrag für sehr wenig Prozente investiert haben. Astrid, Niklas und ich haben mit weitem Abstand die meisten Prozente. Wir können alles selbst entscheiden. Das war uns sehr wichtig. Letztes Jahr haben wir uns überlegt, was wir noch nicht können. Das ist das Produkt. Wir waren ein Marketing Case und hatten ein gutes Produkt, aber fremdproduziert. Wir wollten die Rezeptur der Dosen haben. Durch Zufall habe ich Mirko Mondan kennengelernt, den Geschäftsführer eines Kaolinbergwerks in Hirschau, ganz in der Nähe, die Firma Dorfner. Deren Kaolin ist in jedem Farbprodukt der Welt. Damit jedes Farbprodukt der Welt mit dem Kaolin funktioniert, haben sie jede Rezeptur dieser Welt. Weil diese Familie glücklicherweise sehr innovativ ist, haben sie vor zwei Jahren angefangen, KI einzusetzen. Damit sind Sie vor zwei Wochen auf den Markt gegangen. Das ist die erste spezialisierte KI für Farbproduktion. Du kannst ihr sagen: "Das ist meine MissPompadour-Rezeptur und ich möchte jetzt bei einem Produzenten in Frankreich produzieren. Der kann nicht alle Inhaltsstoffe nehmen, die ich hier in Deutschland habe, wegen gesetzlicher Änderungen. Das Wetter ist dort so und so, der Sand so und so. Am Ende habe ich von der Funktion dasselbe Produkt in der Dose wie in Deutschland, auch wenn es andere Inhaltsstoffe sind. Wir waren der Testfall. Wir haben es geschafft. Letzte Woche wurde unser neuer Lack gelauncht, wo wir die Rezeptur komplett ausgetauscht haben. Das haben wir innerhalb von drei Monaten entwickelt. Normal dauert das in der Branche drei bis fünf Jahre, so eine Rezeptur zu entwickeln. Die haben auch in uns einen Betrag investiert. Beide Beträge liegen noch auf dem Konto. Das ist unser Entscheidungsgeld. Wir haben im Hinterkopf, es ist da. Wir benutzen es aber nicht, weil wir wachsen. Selbst die Kooperation mir Hornbach können wir aus unseren laufenden Mitteln bezahlen. Aber es gibt eine Freiheit. Wir haben jetzt die Laborleistung und können jedes Produkt dieser Welt bauen. Das waren die zwei strategischen Entscheidungen, warum wir Investoren mit hineingenommen haben. Es ging nicht um private Bereicherung oder schnelles Geld für Wachstum, sondern wir haben eher das Problem, dass wir nicht wissen, wofür wir das Geld ausgeben sollen. Durch deren Wissen und durch das Produkt haben wir einen großartigen Wettbewerbsvorteil.
Haben ist besser als brauchen, sage ich immer.
Braucht man es, sollte man es am wenigsten machen. Es wird dann nur für einen selbst teuer.
Du hast Hornbach angesprochen. Ihr müsst wahrscheinlich euren Beratungsansatz in diese Baumarktkette transportieren. Als du diesen Vortrag gehalten hast, habe ich mir vorgestellt, es gibt wahrscheinlich eine Pompadour-Ecke oder ein Bereich mit euren Produkten. Da ist ein Touchscreen, wie bei McDonald's. Dann werde ich beraten. Kann ich sofort mit einem Berater live chatten? Wie baut Ihr das auf?
Wir haben uns gegen das live chatten entschieden, weil wir ein Problem mit dem Peak haben. Uns ist klar, Freitag und Samstag werden immer die stärksten Tage sein. Wir können es nicht abbilden, dass uns aus 100 deutschen Filialen an einem Samstag zwei, drei Leute kontaktieren. Wie sollen wir das händeln? Aber wir haben dieses Touchdisplay. Das kann ich dir unten zeigen. Es war wieder von Vorteil, dass wir die Niklas haben. Unsere Beratungsleistungen, die wir in der App und im Shop haben, ist fünf Jahre lang perfekt gelernt und durchdacht. Die übertragen wir auf dieses Touchdisplay. Das heißt, die Kundin soll sich in dem Moment in wenigen Schritten perfekt beraten. Am Ende sieht sie, wo sie es im Regal findet. Sie kann sich das Projekt über den QR-Code direkt auf ihr Handy ziehen. Dann öffnet sich eine neue Seite. Sie hat eine eigene ID. Da sieht sie das nochmal und könnte damit nach Hause gehen, damit sie es nicht vergisst. Sie kann von zu Hause bestellen.
Vermutlich über eure App?
Über unsere App oder unseren Webshop. Das ist für Hornbach in Ordnung. Denen ist wichtig, dass die Kundin im Laden ist. Meist kauft man nicht nur eine Sache. Die sehen eher das große Ganze. Sie sind nicht so wählerisch. Die meisten werden die Farbe gleich mitnehmen. Für das große Ganze ist es sehr wichtig, dass die Kundin ein gutes Kaufgefühl hat. Das ist die digitale Variante. Auf dem POS wird das Ganze trotzdem noch analog sein, falls ein Bildschirm ausfällt oder eine Kundin nicht affin dafür ist. Das muss man auch überlegen. Dieses POS, Point of Sale, im Ganzen muss genauso gut beraten wie unsere Beraterinnen am Telefon. Es kann sein, dass die im Hornbach stehen und uns anrufen. Das ist eine normale Kundin, die anruft. Das war uns wichtig. Wir hatten großes Glück. Wir wollten nicht in den Baumarkt, sondern der Baumarkt wollte uns. Wir erzählen seit sechs Jahren, wie schlecht der Baumarkt ist. Wenn wir zu euch hineingehen, müssen wir es so machen, dass wir uns nicht die Finger verbrennen. Wir wollen es auf unsere Art und Weise machen. Wir brauchen ein gutes Argument für unsere Kundinnen. Wir sehen nicht den schnellen Taler, sondern eine neue Möglichkeit, unser Produkt an euch zu verkaufen. Das war uns wichtig, sonst wären wir nicht mehr authentisch.
Jetzt kommt eine meiner Lieblingsfragen. Ich will sie schon die ganze Zeit stellen. Könnt Ihr euch vorstellen, euer Unternehmen eines Tages zu verkaufen? Du hast Westwing genannt. Westwing kommt und sagt: "Erik, die Rente ruft. Wie sieht es aus?"
Wir sagen nicht nein. Wir sagen nicht ja. Es muss jemand kommen. Es muss passen. Es ist nicht von uns forciert. Wir haben Investoren. Investoren investieren, weil sie eine Rendite haben wollen. Bezahlen wir sie wieder aus? Machen wir jedes Jahr durch Profitabilität gute Gewinne? Verkaufen wir? Es wird ein paar große Farbfirmen geben, die gerade überlegen, weil wir sehr viel Marktanteile haben. Alle wollen diesen Kontakt zur Endverbraucherin und bekommen das nicht gut hin. Ich kenne ich Beispiele. Henkel hat ein Kosmetikunternehmen gekauft, und nach zwei Jahren wurde das eingestampft. Entweder war es strategisch, damit die nicht noch mehr Umsatz klauen oder sie haben es nicht hinbekommen. Ich weiß nicht, ob ich das für meine Firma will, weil die Leute hier alle einen top Job machen. Nur, dass ich auf den Bahamas chillen kann? Das ist nicht meine Lebenseinstellung, wenn jemand kommt und sagt, dass er uns die Summe unter den Konditionen gibt. Auch ich muss weitere zwei Jahre, drei Jahre arbeiten. Es ist nicht so, dass man verkauft und am nächsten Tag Tschüss sagt. Es muss passen. Ich werde es nicht dementieren, aber auch nicht sagen, das ist das Ziel. Es kann auch sein, dass in den nächsten zehn Jahren keiner kommt.
Dann macht es auch nichts.
Es macht es auch nichts. Es macht uns doch Spaß. Irgendwann muss man vielleicht mal schauen. Astrid wird bald 50. Die hat vier Kinder. Die ackert, seit sie 20 ist. Vielleicht wird sie sich aus dem Operativen zurückziehen. Das sind auch Möglichkeiten. Man kann irgendwann sagen, man hat dann mit dem täglichen Geschäft nichts mehr zu tun. Aber wir bauen noch.
Hat dich schon jemand gefragt, ob du verkaufst?
Nein. Das Geld muss man haben, dass man uns kaufen kann.
Ihr seid inzwischen ein Schwergewicht. Das weiß jeder. Die haben Respekt.
Das Taschengeld musst du in der Tasche haben. Die Multiplikatoren sind nicht mehr die, die es mal waren. Wenn du es mal drei auf den Umsatz hochrechnest, gibt es nicht viele Firmen, die das schnell kaufen können. Wir bekommen Anfragen, ob sich jemand beteiligen darf.
Sind es VC oder strategische Interessen?
ktuell sind es eher brancheninterne Firmen, die sich dranhängen oder die Produktion für uns machen wollen. VC finde ich nicht interessant. Da geht es am Ende um den Verkauf. Die Firma in fünf Jahren in eine Richtung drillen ist mit unserem Produkt wahrscheinlich nicht möglich ist. Man schraubt das Marketing herauf, verpulvert 200 Euro in den Kunden und bläst den Umsatz auf 500 Millionen. So funktioniert Farbe nicht. Ich habe vorhin gesagt, es dauert oft drei Monate. Es ist kein impulsives Produkt, kein dauerhaftes Verbrauchsprodukt. Das ist ein langes Spiel. Da sehe ich VC nicht, eher Private Equity, die Zeit haben und die Werte steigern wollen.
Was kannst du am besten?
Ich würde es firmentechnisch beantworten. Chancen sehen, egal in welchem Bereich. Lücken sehen, Chancen sehen, Dinge sehen, die kommen. Wenn ich Gänsehaut bekomme, ist es ein Zeichen, dass es funktionieren wird.
Cool. Wie entspannst du dich von der oft anstrengenden Start-up-Arbeit?
Wenn man das wüsste. Familie, Kinder. Ich habe zwei kleine Kinder. Das ist zwar nicht entspannend, aber es hilft, den Kopf freizubekommen. Sport, Mountainbiken, Rennradfahren, draußen sein.
Wie oft machst du in der Woche Sport?
Fünf Tage die Woche. Eigentlich würde ich jetzt laufen, nicht reden. Ich schaue, dass ich jeden Tag eine Stunde Sport mache.
Deshalb bist du so entspannt. Jetzt weiß ich es.
Das ist vielleicht das klassische ADHS-Problem, aber ich brauche es einfach, und es hilft. Dabei denke ich viel. Ich spiele gerade leidenschaftlich gern Padel, einen Trendsport. Das ist toll, weil man sich auf den Ball konzentriert. Das Hirn ist leer. Das kenne ich normalerweise nicht. Wenn ich laufe oder Rennrad fahre, dann ist das auch so. Dann arbeite ich wieder ein bisschen. Ich möchte ungern mit 40 einen Herzinfarkt bekommen. Ich treibe auch Sport für die Gesundheit.
Es kommt eine gute Fee und fragt, welche drei Wünsche du hast.
Drei Wünsche? Gesund bleiben. Das ist das A und O. Alles andere ist irrelevant. Mein engeres Umfeld soll gesund bleiben. Das ist auch relevant. Man kann sich alles selbst erfüllen, wenn man Glück hat. Einmal kurz in die Zukunft schauen zu können, wie sich KI entwickelt. Ich würde gern wissen, was in fünf Jahren ist. Den Wunsch hätte ich. Dann würde ich mich entweder einmotten oder direkt loslegen. Ich bin froh, dass wir ein physisches Produkt haben, was man verstreichen muss. Das wäre ein Wunsch von mir, einmal in die Zukunft blicken. Im Allgemeinen ist mir das nicht wichtig. Aber bei dem Thema fände ich es toll, zu wissen, was ist in fünf Jahren ist.
Was hast du heute noch vor?
Ich glaube, ich gehe noch ein Schnitzel essen.
Das hört sich gut an. Lieber Erik, vielen Dank für das Interview.
Ich danke.